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60 Jahre Berichterstattung über Film und Fernsehen
Norbert Bolewskis gesammelte Rückblicke von 1947 bis 2007

Die EB, die elektronische Berichterstattung beginnt

Die elektronische Berichterstattung beginnt in den USA Realität zu werden. CBS hat ein entsprechendes System durchgängig von der Aufnahme bis zur Bearbeitung im Studio entwickelt. J. Flaherty berichtete ausführlich darüber. Das System bestand aus einer Fernsehkamera, einem Videorecorder und einer mobilen Mikrowellen-Richtfunkverbindung. Von Anfang an hat die ENG-Ausrüstung die an sie gestellten Qualitätsanforderungen vollauf befriedigt. Im Durchschnitt hatten die MAZAufnahmen der Elektronischen Berichterstattung eine höhere Qualität als das Filmmaterial.

Als Grund dafür wurde angegeben, dass bei Benutzung der elektronischen Kamera eine Fehlbelichtung ausgeschlossen ist, weil das sofort verfügbare Ausgangsprodukt auf dem Suchermonitor beurteilt und die korrekte Belichtung eingestellt werden kann. In Bezug auf Gerätekonzeption (Bilder 132 und 133) und Zuverlässigkeit waren die Erwartungen durch die damalige Ausrüstung bereits bei den ersten Einsätzen weit übertroffen worden.


Die Bosch Fese BCN 40, ein Welterfolg

Einen Meilenstein bei der Entwicklung von Videoaufzeichnungsgeräten stellten die 1975 erstmals von der Robert Bosch GmbH entwickelten BCN-System dar, die 1977 in die Studios eingeführt und in der FKT ausführlich dargestellt wurden. Es handelte sich um ein 1-inch-Studio-Aufnahmesystem nach dem Segmented-Field-Verfahren in Schrägspurtechnik (Helical Scan), das der Entwickler Heinrich Zahn selbst beschrieb. Die damals noch sehr umstrittene Segmented-Field-Methode ergab aber eine sehr kurze Spurlänge - bei der "BCN" nur 79 mm - und ermöglichte insbesondere bei hoher Steigung über einen Zylinder die präzise Führung des Bandes ohne Nachstellelemente und damit ein wartungsfreundliches Fertigungsprinzip. Das Band umschlang die Abtasttrommel um 190°, damit standen die restlichen 170° für die Befestigung der Trommel zur Verfügung. Sie konnte deshalb auf dem Außendurchmesser prismatisch, das heißt stabil, vibrationsfrei und reproduzierbar maßgenau gelagert werden. Scheinbarer Schwachpunkt war die Standbild- bzw. Einzelbildwiedergabe. Deshalb entwickelte man in diesen Recordern einen Speicher (Frame Store), in den die einzelnen Segmente wie bei normaler Bandwiedergabe eingelesen wurden und somit problemlos beliebig lange ausgelesen werden konnte. Auf Basis dieser Technik wurde in den späteren Jahren ein ganzes Studio-System einschließlich eines portablen Recorders entwickelt (Bilder 134 und 135).

Erste digitale Übertragung eines Farbfernsehsignals

Es zeigte sich, dass bei den vorhandenen Übertragungsstrecken die digitale Übertragung manchmal günstiger als die analoge zu sein schien. In terrestrischen Netzen bringt die Pulscodemodulation (PCM) bei der Übertragung von Telefoniesignalen wirtschaftliche Vorteile und drei Mitarbeiter von SEL, unter anderem der spätere Prof. Dr. W. Zschunke, gingen daran, ein Versuchssystem zur digitalen Übertragung eines Farbfernsehsignals und zweier Tonsignale zu erstellen und in der FKT zu beschreiben. Die Signalkomponenten - Luminanz und Chrominanz - wurden getrennt digitalisiert, und in DPCM-Systemen werden ihre Redundanz und damit die Bitrate auf 34 Mbit/s reduziert. Nach einer Multiplexbildung wurden sie zusammen mit den Tonsignalen übertragen. Weitere Untersuchungen führten aufgrund der erreichbaren guten Bildund Tonqualität später zur Einführung dieses Übertragungssystems für die Satellitenübertragung (Bild 136).

 

Zu den neuen Techniken des Fernsehrundfunks gehörte die "unsichtbare" Mitübertragung zusätzlicher Informationen, insbesondere Texte, die der Fernsehteilnehmer mit einem Zusatzgerät wahlweise als Ergänzung oder anstelle des laufenden Fernsehprogramms empfangen kann. Bekanntestes Beispiel damals war das in Großbritannien entwickelte "Teletext"-System. Franz Pilz vom IRT berichtete über die Entwicklung eines eigenen Systems, dem später der Name "Videotext" gegeben wurde, und das heute in jedem Fernsehempfänger eingebaut ist und von den Sendern übertragen wird. Man hatte damals auch an die Übertragung von Untertiteln für ausländische Filme gedacht (Bild 137). Der Aufsatz beschrieb die Arbeitsweise der codierten Übertragung von Zeichen im Fernsehen und die Besonderheiten der drahtlosen Rundfunkübertragung kombinierter digitaler und analoger Signale.

 

Nach und nach wurden durch die Einführung der Digitaltechnik in die Fernsehstudios mit sogenannten Insellösungen neuartigen Möglichkeiten geschaffen. Ein vollkommen neues und großes Einsatzgebiet eröffneten in diesem Rahmen digitale Bildspeicher, also Speichereinheiten, die in der Lage sind, die Informationsmenge eines ganzen Fernsehbilds zwischenzuspeichern. Als Speicherbauelemente fanden vorwiegend Random Access Memories (RAMs) Verwendung, die aus der Entwicklung der Computertechnik hervorgegangen waren. Als Bildspeicher eingesetzte Random Access Memories (RAMs) ermöglichen einen wahlfreien Zugriff zu jedem einzelnen Bildpunkt. Neben der Standbildwiedergabe lassen sich durch Änderung der Ausleseadressierung im Gegensatz zur eingeschriebenen Folge Bildgeometrieänderungen erreichen.

 

Nach geschlossener Codierung des kompletten Videosignals können Luminanz und Chrominanz in der digitalen Ebene getrennt werden. Diese gegenüber der analogen Technik einzigartigen Möglichkeiten führten zu einer vollkommen anderen Art, Bildmanipulationen zu erstellen wie Hans-Peter Maly von Robert Bosch Fernsehanlagen in der FKT aufzeigte, und man stand staunend vor den tollsten Bildtricks und -verfremdungen, die durch einfachste Änderung der Auslesereihenfolge erreicht wurden (Bild 138).

1978 - "Krieg der Sterne" von George Lucas

Der Science-Fiction-Film "Krieg der Sterne" von George Lucas erhielt vor allem für seine Technik sieben Oscars. Die Zahl der Kinobesuche in der westlichen Welt sinkt allerdings drastisch jedes Jahr stärker. Gab es 1954 in der Bundesrepublik Deutschland noch 15,4 jährliche Kinobesuche pro Einwohner, so sank die Zahl 1965 auf 5,4 und lag 1978 bei 2,1 Besucher und damit auf einem der hinteren Plätze weltweit (USA 1965 11,6, 1978 4,8, DDR 1965 7,0, 1978 4,7). Bei der FKT ging der bisherige Chefredakteur Wilhelm Roth in den Ruhestand, sein Nachfolger wurde am 1. Januar der bisherige Stellvertreter Norbert Bolewski.

 

Die Computer-Bauelemente, insbesondere der Mikroprozessor, finden auch Eingang in die Geräte der Fernsehwelt. Sehr ausführlich wird das in einem Aufsatz von Robert Bosch aufgezeigt, wo in Verbindung mit einer "BCN"- Videobandanlage und einem Bildspeicher das Zusammenwirken dieser Einheiten beschrieben wird.

 

Von Philips wurde die neue "LDK 14"- Farbfernsehkamera erstmals vorgestellt. Sie wurde für ENG- und EFP-Einsätze konzipiert, war aber ebenso gut im Studiobetrieb anwendbar, denn sie erlaubte Aufnahmen mit voller Studioqualität. Die "LDK 14" enthielt bereits alle Stufen für die Signalverarbeitung, eine CPU war nicht nötig, und sie hatte trotzdem nur die Abmessungen und das Gewicht (< 7 kg) einer professionellen 16-mm-Kamera. Bestückt war sie mit drei 2/3-inch-Plumbicon- Röhren (Bild 139).

 

Die Vorteile der Digitaltechnik bei der Signalbearbeitung traten immer stärker hervor und führten zu zahlreichen Aufsätzen, bei denen den Fernsehingenieuren erklärt wurde, welche Vorteile die Übertragung und Speicherung von Bild- und Tonsignalen bietet. Auch Methoden der Bildverbesserung wurden angesprochen.

Systemwandel bei der Technik

In den letzten Jahren zeichnete sich ein Systemwandel bei der Technik der Studio- Bildmischer ab. Während man bislang vorzugsweise Mischer nach dem deutschen "Knob-a-Channel"-Prinzip baute und einsetzte - eine Technik, die außerhalb Mitteleuropas nahezu unbekannt war -, wuchsen die Anforderungen an die Produktionstechnik und damit der Ruf nach einem besseren System, das auch bei einer größeren Anzahl von Signalquellen einfach zu bedienen sein sollte.

Hinzu kam der Wunsch nach mehr Trickmöglichkeiten. Das "neue" System bot sich in Form der amerikanischen "Next-Channel"- Technik an, einem Prinzip, nach dem außerhalb Mitteleuropas fast ausschließlich produziert wurde. Bei den Knob-a-Channel-Mischern ist für jede Eingangsquelle ein separater Überblendregler, ein "Lever", vorhanden.

 

Beim Next-Channel-System liegen alle Eingangssignale an einer Kreuzschiene. Über sie wurden je Ebene maximal zwei Signale - zum Beispiel für die Überblendung von einer Kamera zur anderen - angewählt und mit einem Lever und einem Mischverstärker überblendet. Bei Mehrebenen-Mischern kann dieses Ausgangssignal einer neuen Kreuzschiene zugeführt werden. Radio Bremen - durch Sendungen wie "Musikladen" erwiesenermaßen experimentierfreudig, führte als erste deutsche Rundfunkanstalt einen solchen Mischer ein, über den Mike Leckebusch, der legendäre Redakteur dieser damaligen Kult-Musiksendung, zusammen mit dem damaligen Produktmanager von Rohde & Schwarz (über den die GrasValley-Mischer in Deutschland vertrieben wurden) und späteren Journalistenkollegen Rolf von Kaldenberg berichtete (Bild 140).

Methoden zur automatischen Scharfeinstellung von Photo- und Filmkameras gab es in der Literatur und in ersten praktischen Ansätzen bereits einige Jahre vorher. Doch das erste elektronische und funktionsfähige Bauelement war das 1978 vorgestellte "Visitronic"- Verfahren von Honeywell. Es handelte sich erstmals um ein passives System, bei dem das Objekt über ein optisches System auf einer integrierten Schaltung mit zwei Photodioden- Sensor-Matrizen abgebildet wird. Das durch den Vergleich beider Bilder in der integrierten Schaltung erzeugte Signal kann zur mechanischen Fokussierung des Kameraobjektivs benutzt werden, und zwar entweder im Moment vor der Öffnung des Kameraverschlusses bei Stehbildkameras oder kontinuierlich bei einer Film- oder Fernsehkamera (Bild 141). Es wurden eine Reihe von Sucherkameras, insbesondere auch Super-8-Kameras damit ausgestattet. Kurze Zeit später wurden allerdings andere Schaltungen und Methoden entwickelt, sodass das "Visitronic"- Verfahren nur eine kurze Episode in der technischen Entwicklung der Scharfeinstellung darstellte, allerdings das erste passive Verfahren mit hoher Genauigkeit war.

 

Über neue Lösungswege bei der Filmabtastung berichtete der damalige Mitarbeiter von Robert Bosch Fernsehanlagen und heutige Professor Dr. Dieter Poetsch. Dabei wurde ein neues System entwickelt, erstmals mit Vollbildabtastung ohne Zeilensprung mit Halbleiter-Zeilensensoren und Halbbildzerlegung in einem digitalen Vollbildspeicher (Bild 142). Das war ein großer Fortschritt, zeigten doch Silizium-Halbleitersensoren gegenüber Röhren keinen Einbrand und keine Trägheitseffekte; sie brauchten nur geringe Betriebsspannungen und hatten ohne äußere Zerstörung nahezu unbegrenzte Lebensdauer. Damit erübrigten sich Austausch und Neujustage der Rasterdeckung; er ergab sich eine hohe Langzeitstabilität der Signalwerte, und die Betriebseinstellung des Abtasters wurde vereinfacht. Schon damals schrieb der Autor ergänzend: Neben der Erzeugung eines Standbilds und sichtbarer variabler Geschwindigkeiten könnte der Bildspeicher in Zukunft mit digitaler Rauschminderung des Filmkorns die Qualität der Filmabtastung wesentlich steigern. Er hatte Recht.

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