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überarbeitet von Gert Redlich ab Feb. 2014 - Eigentlich sprechen wir von einer Gazette - Es sind gigantische Textmengen (Buchstaben-Wüsten), die die Autoren der "FI" in den 58 Jahren zusammen getragen haben. Damit das überhaupt vernünftig zu lesen ist, haben wir die Inhalte in jährliche Themengebiete aufgeteilt, die aber nicht in jedem Jahr gleich sind. - Sehr wichtig ist, es wurden alle Informationen, die Texte und die Erkenntnisse genau in der jeweils benannten Woche aufgeschrieben und nicht später ergänzt oder korrigiert.

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FI-1951 / 2.Juni-Ausgabe - AUSLAND - Frankreich
Fernsehen in Frankreich im Urteil österreichischer Fachleute.

Von einem Wiener Mitarbeiter. - Wien, Anfang Juni 1951
Unter den Ländern Europas, in denen das Fernsehen bereits läuft, bzw. vor der Einführung steht, nimmt Frankreich in zweifacher Hinsicht eine Sonderstellung ein: Erstens wurde in Frankreich zum Unterschied von den übrigen Ländern des Kontinents, die sich auf eine Zerlegungsnorm von 625 Linien geeinigt haben, ein System besonders hoher Auflösung mit 819 Zeilen entwickelt, das bevorzugt zur Einführung kommt. Zweitens steht aus den vergangenen Jahren noch das ältere System mit 441 Zeilen in Verwendung, und die französische Fernsehgesellschaft wurde daher von der Regierung verpflichtet, die Sendungen bis zum Jahre 1958 nach beiden Systemen durchzuführen, um die bereits in Betrieb stehenden Empfangsgeräte nicht zu entwerten. Es war daher von besonderem Interesse, diese Erfahrungen in der Praxis kennenzulernen.

Nach Holland und Deutschland jetzt Paris

Hiezu besuchte eine Gruppe österreichischer Fachleute, die im Vorjahr die Fernsehentwicklung in Holland und Deutschland studiert hatte, Paris, um den derzeitigen Stand der Fernsehtechnik und des Sendebetriebes in Frankreich aus eigener Anschauung kennenzulernen. Anschliessend führte die Studienreise nach Zürich zur Information über die Entwicklung des Fernsehens in der Schweiz, die als unmittelbarer Nachbar Österreichs von besonderem Interesse ist. Hierüber soll an anderer Stelle berichtet werden.

Besonders gespannt waren wir naturgemäss, die Qualität der Fernsehbilder mit 819 Zeilen, der höchsten Auflösung, die derzeit im praktischen Fernsehbetrieb verwendet wird, aus eigener Anschauung kennenzulernen. Dank des Entgegenkommens der französischen Industrie und der Sendegesellschaft, der "Television francaise", hatten wir die Möglichkeit, sowohl die Laboratorien der führenden französischen Firmen als auch die Studios und die technischen Einrichtungen des Fernsehrundfunks zu besichtigen. Der allgemeine Eindruck aller Vorführungen, sowohl der Filmübertragungen als auch der direkten Aufnahmen von der Fernsehkamera im Kurzschluss sowie bei hochfrequenter Übertragung war der, dass die Qualität der Bilder, was die Feinheit der Auflösung betrifft, keinen Wunsch mehr offen lässt. Selbst wenn man ganz nahe an das Schirmbild der üblichen Grösse von ca. 30cm Breite herangeht, ist der Bildraster unsichtbar. Erst recht gilt das für den normalen Betrachtungsabstand.

Besser als der normale 16mm Films

Das Ziel, das sich die französischen Fernsehtechniker gestellt hatten, dass die Güte der Fernsehbilder denen eines normalen 16mm Films entsprechen solle, erscheint damit voll erreicht. Sie wird auch dann noch ausreichen, wenn entsprechend der herrschenden Tendenz die Bildgrösse noch weiter, sei es durch grössere Direktsichtröhren, sei es durch Projektionsverfahren, gesteigert wird.

Zweifellos bedeutet auf der anderen Seite das hochzeilige System einen gewissen, wenn auch nicht grossen Mehraufwand auf der Empfängerseite und verlangt die Anwendung höherer Trägerfrequenzen, um die Kanäle mit der Breite von über 10 Megahertz unterzubringen, eine Notwendigkeit, die bei Vermehrung der Zahl der Fernsehsender jedoch auch für die Fernsehsysteme geringerer Bandbreite in Europa und in Amerika besteht. Dass die Entwicklung auch auf diesem Gebiet in Frankreich schon sehr weit gediehen ist, zeigte ein von der "Radio-Industrie" gebauter Fernsehsender für eine Trägerfrequenz von ca. 600 MHz (Wellenlänge 50cm).

Farbfernsehen in Frankreich

Dass auch auf dem Gebiet des Farbfernsehens in Frankreich gearbeitet wird, zeigte die Vorführung einer Versuchsanlage des gleichen Unternehmens, das an der Fernsehforschung in Frankreich führend beteiligt ist. Die Anlage, die nach der Dreifarbenmethode mit rotierendem Farbfilter arbeitet, übertrug Kamerabilder mit vorzüglicher Farbentreue, die besser als beim normalen Farbfilm ist.

Ein Besuch beim Fernsehsender Paris der "Radiodiffusion francaise" gab schliesslich den Teilnehmern der Studienreise einen lebendigen Eindruck vom Zustandekommen einer Fernsehsendung und dem damit verbundenen künstlerischen, technischen und wirtschaftlichen Fragen. Diese Probleme, die von den leitenden Persönlichkeiten des französischen Fernsehrundfunks in aller Ausführlichkeit und Offenheit erläutert wurden, sind von besonderem Wert für jene Länder, die vor der Aufnahme eines Fernsehrundfunks stehen.

Ebenso wie beim Hörrundfunk darf auch im Fernsehen auf die direkte aktuelle Reportage nicht verzichtet werden, sie muss trotz der damit verbundenen technischen Schwierigkeiten und Kosten einen bevorzugten Platz im Tagesprogramm einnehmen, um die Teilnehmer an den Fernsehempfänger zu fesseln. Die Mittagssendung des französischen Fernsehprogramms ist daher in erster Linie der aktuellen Reportage gewidmet. Für die speziell für das Fernsehen inszenierten Programme bilden sich neue Kunstformen heraus, für die weder beim Film noch beim Theater Vorbilder bestehen.

Hier gibt es imme rnoch 2 Systeme, 819 und 441 Zeilen

Technisch hat der französische Sendebetrieb die Besonderheit, dass alle Aufnahmen auf zwei parallelen Wegen, von der Kamera bis zum Sender, entsprechend den beiden Systemen mit 819 und 441 Zeilen, übertragen werden müssen. Das bedeutet naturgemäss einen Mehraufwand, der jedoch nur etwa 20% der Gesamtkosten ausmacht.

Damit sind wir bei der wirtschaftlichen Seite des Fernsehens angelangt, einem Punkt, der entscheidend die Möglichkeit der Einführung des Fernsehens, besonders in kleineren und kapitalschwachen Ländern, beeinflusst und über den sehr verschiedene Ziffern bekannt geworden sind. Es war daher besonders wertvoll, erstmalig autentische Ziffern über die effektiv aufgelaufenen Betriebskosten auf Grund der Bilanz für das Jahr 1950 zu hören.

Am Ende die Betriebskosten in FFrs

Insgesamt sind für den Fernsehsendebetrieb in Paris ca. 200 Angestellte erforderlich, die einen Gehaltsaufwand von FFrs. 120 Millionen erfordern. Die sozialen Lasten für das Personal betragen 50 Millionen. Die Kosten des technischen Betriebes waren rund 100 Millionen, die Unterhaltung der Gebäude und der Betriebskosten 80 Millionen. Schliesslich wurden als Honorare für die mitwirkenden Künstler 50 Millionen aufgewendet. Die jährlichen Gesamtkosten des Sendebetriebes belaufen sich daher auf rund FFrs. 4 Millionen. Dabei ist jedoch die Amortisierung und Verzinsung des investierten Kapitals nicht berücksichtigt. Hierfür wurden im Jahre 1950 rund 1.200 Stunden gesendet, sodass sich die Sendestunde auf rund 250.000 FFrs. stellt; von denen rund 200.000 FFrs. für die technischen Betriebskosten anzusetzen sind.

FI-1951 / 2.Juni-Ausgabe - AUSLAND - Österreich
Fernsehversuchsanlage an der TH Wien.

von unserer Wiener Mitarbeiterin - LL-Wien, Anfang Juni 1951 (Infolge Zensurverzögerung verspätet eingegangen)
In einem Vortragsabend des Internationalen Radioclubs in Wien gab Dipl. Ing. H. Hudler über eine im Schwachstrominstitut der Technischen Hochschule in Wien unter Leitung von Prof. Dr. H. W. König aufgebaute Fernsehversuchsanlage Bericht. Nach diesen Ausführungen handelt es sieh um den Studioteil, einschliesslich Impulszentrale und "Kontrollwiedergaberohr" einer Fernseh-Sendeanlage, jedoch ohne Hochfrequenzteil.

Im Anschluss an den Vortrag fand eine Vorführung statt, bei der die Funktion und die technischen Einzelheiten der Anlage schrittweise erklärt und im Betrieb demonstriert wurden. Mittels eines Supericonoscopes konnten sowohl Testbilder als auch Versuchspersonen am "Kontrollrohr" sichtbar gemacht werden. Die Anlage arbeitet mit 625 Zeilen, gemäss der neuen deutschen (?) Norm; da jedoch noch kein modernes "Bildfängerrohr" zur Verfügung stand, und ausserdem mit einem Minimum an Materialaufwand gearbeitet werden musste, entsprach die Bildqualität dem derzeitigen Stand der Fernsehtechnik noch nicht.

Immerhin war festzustellen, dass man in Österreich trotz der geringen derzeit zur Verfügung stehenden Mittel nicht müssig bleiben will und mit Hilfe einer einfachen Anlage grundlegende Probleme der Fernsehübertragung studiert.

FI-1951 / 2.Juni-Ausgabe
AUSLANDSÜBEEBLICK UND ANREGUNGEN - Frankreich
Die juristischen Fragen bezüglich eines Fernseh-Rechts

Dem Europarat in Strassburg wurde von französischer Seite ein Antrag unterbreitet, der die Berufung einer besonderen Kommission zur Bearbeitung der juristischen Fragen des Fernsehens auf europäischer Basis vorsieht. Es gilt nun möglichst bald ein völlig neues Fernseh-Recht zu schaffen und zu entwickeln, da die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Fernsehens in greifbare Nähe rückt, sobald erst die Hauptstädte durch Hertz'sche Relais oder Koaxialkabel miteinander verbunden sein werden.

Kein Fernsehen bis Ende August

Die französische Television wird den Sommer über vom 14. Juli bis Ende August ihre Sendungen unterbrechen, um Umbauten vornehmen zu können. Die Studios werden mit neuen Installationen versehen, neue grössere Studios werden eingerichtet, sogar ein Freilichtstudio ist bereits im Bau. Man hofft, bis dahin auch die Schwierigkeiten der gleichzeitigen Sendungen mit zwei Definitionen (441 für die alten Apparate und 819 Zeilen nach der neuen Definition), beheben zu können. Zurzeit werden verschiedene Systeme versucht, auch den Besitzern von Apparaten mit 441 Zeilen den Empfang der Sendungen mit der hohen Definition von 819 Zeilen zu ermöglichen. Ausserdem ist eine wesentliche Verbesserung und Bereicherung des Programms in Aussicht genommen.

Jetzt noch drei Kleinigkeiten

Jean Cocteau, das betriebsame Universalgenie, ist Gründer und Präsident einer Vereinigung der "Freunde von Film, Funk und Television". Diese Vereinigung schloss sich mit der "Franco-American Fellowship" zu einem "Cercle International du Cinema de la Radio et de la Television" zusammen, der jetzt mit einer ersten grossen Werbeveranstaltung an die Öffentlichkeit trat.

In Paris tagt im Herbst ein grosser internationaler Chirurgenkongress. Aus diesem Anlass wird die Television Paris aus ihrem Studio in Direktsendung eine Operation übertragen, die jedoch nur von Empfangsapparaten, die mit einer besonderen Vorrichtung versehen sind, aufgenommen werden kann. Solche speziellen Empfangsapparate werden im Kongresssaal, in der Sorbonne, der Ecole de Me-decine und einigen Krankenhäusern aufgestellt werden.

Nach dem Vorbild der Filmklubs werden jetzt in Frankreich Televisionsklubs errichtet. Neben technischen und juristischen Fragen wird besonders die Programmgestaltung diskutiert, und zwar vom Standpunkt des Zuschauers aus, um damit der Programmdirektion der Television behilflich zu sein. In Belgien, wo bereits 1.200 Apparate den Sender Lille empfangen, besteht bereits eine ähnliche Vereinigung der Fernsehempfänger. Besonders aus katholischen Kreisen erhält die neue Bewegung stärkste Förderung.

FI-1951 / 2.Juni-Ausgabe
AUSLANDSÜBEEBLICK UND ANREGUNGEN - England
Drei Fernseh-Grossender werden gebaut

Trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten, die das neue Verteidigungsprogramm mit sich bringt, hat sich die BBC entschlossen, ihre drei Fernseh-Grossender "Holme Moss", "Kirk O'Shotts" und "Wenvoe" fertigzustellen. Mit Versuchs Sendungen der ersteren Station soll im Juli begonnen werden, während mit der Inbetriebnahme gegen Jahresende zu rechnen ist. Der Sender strahlt die Bildfrequenz mit 35 kW und die Tonfrequenz mit 12 kW aus.

Neue "schwarze" Bildröhre

Durch verbesserte Konstruktion der Empfängerschaltung im Verein mit der neuen Bildröhre mit schwarzer Oberfläche ist der Fernsehempfang im Freien möglich geworden. Die Firma "Hoffman Co." hat eine Anzahl Empfänger entwickelt, die es mit eingebauten Antennen ermöglichen, sowohl im Wohnraum, als auch auf dem Balkon oder im Garten zu empfangen. Durch ein über dem Bildschirm angebrachtes, leicht nach unten geneigtes Sicherheitsglas, das bei einigen Geräten auch leicht gefärbt ist, wird die im Freien störende Himmelsreflektion ausgeschaltet. Eines dieser Geräte befindet sich in dem luxuriösen Riesenschwimmstadion des komfortablen Beverly-Wilshire Hotels und erfreut sich grösster Beliebtheit unter den Gästen. Dieser Hoffman-Fernsehempfänger Modell 947 besteht aus einem FM-AM-Radioteil, einem automatischen Plattenwechsler und einer 40cm-Bildröhre besonderer Konstruktion mit schwarzer Oberfläche.

Verbesserter Abgleich der Bildröhre gefunden

Die Firma "Rauland Co." hat in ihre sämtlichen Bildröhren eine Anordnung eingebaut, die eine schnelle und genaue Einstellung der Magneten erlaubt. Die Anode der Bildröhre gibt durch ein klares, grünes Glühen ein Signal, wenn die Einstellung ungenau ist. Wird der Magnet bewegt, so zeigt das Nachlassen oder Verschwinden des Glühens, dass die Einstellung nunmehr wieder genau ist.

FI-1951 / 2.Juni-Ausgabe
AUSLANDSÜBEEBLICK UND ANREGUNGEN - Ägypten
Franzosen bauen Fernsehstation in Ägypten

Französische Fernseh-Fachleute machten mit ihrem neuesten technischen Gerät (819 Zeilen) in Kairo in der ersten Maihälfte Fernsehversuche mit ausserordentlich geglückten Ergebnissen. Verwendet wurde ein kleiner 200-Watt-Sender, der über eine 50-Meter-Antenne eine Reichweite von 10 bis 15 Kilometer ergab. 21 Empfangsapparate waren aufgestellt, hauptsächlich für den Gemeinschaftsempfang. Besonders gute Wiedergaben von Bild und Ton wurden in Heliopolis erreicht. Es fanden täglich zwei Sendungen statt, von 18.3o bis 19.15 Uhr und von 22 bis 23 Uhr, insgesamt 22 Sendestunden.

Das überaus vielseitige Programm fand grossen Beifall. Es wurde mit dem "Fernseh-Journal" begonnen, wobei auch die Hochzeit des Königs Faruk und die anderen wichtigsten Ereignisse in direkter Übertragung gezeigt wurden, ferner Sport, Mode, Filme, Variete und Vorträge mit Demonstrationen. Sogar eine Operation wurde in Direktsendung vorgeführt. Täglich erfolgte eine religiöse Sendung. Man wird in Ägypten jetzt Fernsehspezialisten ausbilden, um baldigst einen eigenen regelmässigen Fernsehdienst einrichten zu können.

FI-1951 / 1.Juli-Ausgabe - Europa
Der kontinentaleuropäische Fernsehplan.

Einigung über europäische Zeilennorm noch nicht erzielt. (Sonderbericht von der CCIR-Tagung) - Genf, Anfang Juli 1951

Von der Tagung der CCIR, die soeben in Genf beendet worden ist, erfahren wir folgendes:
Die CCIR-Tagung hat die wahrscheinlich 1951 in Buenos Aires stattfindende Weltnachriehtenkonferenz zu beraten und vorzubereiten (falls die Konferenz nicht um 5 Jahre vertagt wird); im Rahmen dieser Arbeiten befaßt sie sich auch mit Fernsehfragen. Eine Einigung über eine europäische Zeilennorm wurde bedauerlicherweise diesmal nicht erzielt, da Frankreich auf seiner 819-Zeilen-Norm beharrt. Trotzdem konnten sechs Grundregeln aufgestellt werden, die für alle vier in Europa benutzten Systeme Gültigkeit haben.

Auf der Tagung, an der zum ersten Male seit Kriegsende wieder eine deutsche Kommission vertreten war, wurden auch die ersten Vorbesprechungen über einen europäischen Fernsehplan geführt, der vielleicht 1952 Form gewinnen kann. Die bisher eingereichten Vorschläge, darunter auch deutsche, werden eingehend geprüft. Bis dahin ist anzunehmen, daß Deutschland offizielles Mitglied der UIT ist; seine Aufnahme wurde mit Zweidrittelmehrheit beschlossen. Dem Wiedereintritt in den Weltnachrichtenverein muß nur noch der Bundestag zustimmen. Ob das noch vor den Sommerferien möglieh sein wird, kann noch nicht übersehen werden.

FI-1951 / 1.Juli-Ausgabe - Europa und die Welt
Die Fernseh-Entwicklung in der Welt.

Genf, Anfang Juli 1951 - Im Zusammenhang mit der CCIR-Tagung in Genf veröffentlichen wir nachstehend eine Zusammenstellung des Standes der Fernseh-Entwicklung in der Welt :

      geplante Empfänger- Zeilen-
Land Sender kW Sender zahl zahl
Dänemark 1 0,5 6 50 625
Frankreich 1 30 - 25.000 441
Frankreich 2 3 3 - 819
Italien 1 5 - 1.000 625
Holland 2 8 - 1.000 625
England 2 17 3 1.000.000 405
Schweden 1 1 - 25 625
Schweiz 1 0,4 - 30 625
CSE 1 - - - 625
Deutschland 1 1 6(1952) 25 625
USA 107 - 1965 13.000.000 525
Japan 1 0,5 - - 525

FI-1951 / 1.Juli-Ausgabe - AUSLAND - Schweiz
Lausanne: Ein Beispiel echter Fernseh-Begeisterung.

Was aus einem kleinen Behelfsstudio möglich wurde. - Von unserem Schweizer Mitarbeiter. Bc.-Bern, Anfang Juli 1951

Am 29. Juni wurden die Fernseh-Versuchssendungen in Lausanne abgeschlossen, die dreieinhalb Monate gedauert hatten. Selten noch wurde eine Veranstaltung von der gesamten Öffentlichkeit mit so regem Interesse aufgenommen. Bis zuletzt waren die in der ganzen Stadt verteilten Empfangsapparate von Neugierigen umlagert, die oft aus weiter Ferne nach Lausanne gekommen waren. Gab es doch in der französischen Schweiz Auto-Unternehmer, die bei ihren Ausflugsfahrten ausdrücklich die Lausanner Television in ihrem Programm verzeichneten.

Bereits 100 Stunden Sendezeit

Insgesamt wurden 110 Sendungen veranstaltet, die hundert Stunden Sendezeit erforderten. Zur Durchführung dieser Programme waren ausserdem 320 Stunden für die Proben erforderlieh. Allerdings gab es Aufführungen, wie die Sendung "La Marguerite" von Salacrou, die 24 Stunden Probezeit für 55 Minuten Sendung benötigte und deren Vorbereitung daher vier volle Tage in Anspruch nahm. Andererseits konnten viele aktuelle Sendungen mit raschen Verständigungsproben oder nötigenfalls überhaupt ohne weitere Vorbereitung über den Sender gehen.

Während der ersten Wochen wurden fast ausschliesslich Direktsendungen aus dem kleinen Behelfsstudio übertragen, aber bald gelang es, auch Filme zu beschaffen und zuletzt wurden eigene aktuelle Streifen auf 16mm-Film aufgenommen. Auf diese Weise konnte Ende Mai die "Fernseh-Zeitung" eingeführt werden, wobei die interessantesten Ereignisse des Sonntags 24 Stunden nachher bereits wiedergegeben wurden.

Fast jeden Abend wurde ein Theaterstück gesendet

Dank der uneigennützigen und interessierten Mitarbeit der Studioangehörigen von Radio Lausanne und zahlreicher Studenten gelang es, ein reichhaltiges Programm zu senden, das sich von anfänglich einfachen Darbietungen rasch steigerte. In der zweiten Hälfte der Versuchszeit wurde fast an jedem Sendeabend ein Theaterstück aufgeführt. Dazu kamen die aktuellen Sendungen von "Tele-Lausanne", bei denen hervorragende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und ausländische Gäste vorgestellt wurden. Sogar eine Schulfunksendung wurde mit großem Erfolg gegeben.

Mit geringsten Möglichkeiten und einer Kamera

Alle Mitarbeiter und Künstler von Radio-Lausanne wetteiferten, um sich mit den Erfordernissen des Fernsehens vertraut zu machen und verbrachten oft ausserhalb ihrer Dienstzeit halbe Nächte im Fernsehstudio bei der Ausarbeitung der Programme. Das gleiche gilt für die Studenten, die sich an den Sendungen beteiligten sowie die Empfangsapparate in der Stadt einstellten und überwachten.

Jedenfalls haben die Versuche in Lausanne gezeigt, daß es möglich ist, unter sehr bescheidenen Bedingungen und mit verhältnismässig geringen finanziellen Mitteln ansprechende Fernsehprogramme zu gestalten, stand doch nur eine einzige Aufnahmekamera mit einem fest angebrachten Mikrophon zur Verfügung, während die Szene im kleinen Studio ein Ausmaß | von nur 2 x 3,5m hatte!

FI-1951 / 1.Juli-Ausgabe
AUSLANDSÜBERBLICK UND ANREGUNGEN - Frankreich
Erste Fernsehausstellung

In Paris soll vom 28.September bis 10. Oktober 1951 die erste Fernsehausstellung im "Musee des Travaux Publics" stattfinden, die von der Rundfunkindustrie veranstaltet wird. Gleichzeitig öffnet in der französischen Hauptstadt auch die Autoausstellung ihre Pforten. Man rechnet, daß viele Besucher auch dem Fernsehen ihr Interesse zuwenden werden. Rundfunkausstellungen finden in Frankreich seit 1924 statt.

FI-1951 / 1.Juli-Ausgabe - England
Deutschland im BBC Programm

Die Bevölkerung Westdeutschlands kann gegenwärtig (mit Ausnahme des Hamburger Gebietes) noch nicht "Fernsehen". Sie kann aber bereits im Ausland "ferngesehen werden". Wir berichteten in der 1.Juni-Ausgabe, daß BBC-London erstmals eine groß angelegte Fernsehreportage aus Westdeutschland gebracht hat. Die BBC teilte uns inzwischen mit, daß der deutsche Geschäftsträger in London, Dr. Schlange-Schöningen mit Mitgliedern seines Stabes zur BBC nach Bush House kam, um diese erste große Fernsehreportage aus Westdeutschland, die Aufnahmen vom Leben der Bevölkerung im Ruhrgebiet, Hamburg, Hessen und Bayern brachte, in den dortigen Empfängern zu beobachten. Auch zahlreiche Deutsche, die sich zur Zeit der Sendung dieser interessanten Fernsehreportage in England befanden, waren nicht wenig überrascht, "das Leben in ihren Heimatgebieten" auf den Bildschirmen der englischen Fernsehempfänger zu sehen.

FI-1951 / 1.Juli-Ausgabe - Spanien
Auch Spanien plant einen Fernsehdienst einzuführen.

Staatliche Stellen haben der Firma Marconi Telegraph Comp. einen Auftrag im Werte von 489.200 $ für die notwendigen technischen Ausrüstungen erteilt. Auf dem Programmgebiet soll vor allem ein Austausch von Filmen zwischen Spanien und südamerikanischen Ländern vorgesehen sein.

FI-1951 / 2.Juli-Ausgabe - Schweiz
Fernsehen nur eine Angelegenheit der begüterten Schichten?

Der soziale Einfluss des Fernsehens. - Bern, Anfang Juli 1951

Die oft vernommene Meinung, das Fernsehen komme nur einer finanziell gehobenen kleinen Schicht der Bevölkerung zugute, ist, wie die Schweizerische Rundspruch-Gesellschaft feststellt, irrig. Eine Untersuchung in den Vereinigten Staaten, die sich über das ganze Land erstreckte, und im September 1950 und Januar 1951 vorgenommen wurde, zeigt einerseits die rasche Zunahme des Fernsehens in allen Bevölkerungsschichten, andererseits die hohe Zahl von Fernsehteilnehmern auch in minderbemittelten Volkskreisen:

Prozentsatz der Fernseh-Familien in verschiedenen Einkommensgruppen:

  September 1950 Januar 1951
reich 24% 52%
hoher Mittelstand 19% 26%
unterer Mittelstand 18% 24%
arm 12% 16%


Prozentsatz der Fernsehfamilien innerhalb verschied.Berufsgruppen:

  September 1950 Januar 1951
Akademiker, höhere Berufe ......... 21% 30%
Öffentliche und private Angestellte 22% 28%
Handwerker,Werkmeister,Vorarbeiter 25% 33%
Arbeiter 19% 25%
Farmer 3% 5%
Verschiedene Berufe 8% 11%

Die Tabellen geben keine Übersicht über den Anteil der verschiedenen Einkommensklassen an der Gesamtzahl der in Betrieb stehenden Fernsehgeräte. In dieser Hinsicht ist eine Angabe der BBC über die Verhältnisse in Großbritannien aufSchlußreich:
Ende 1950 hatten 68% der Fernsehteilnehmer ein Wocheneinkommen von weniger als 12 Pfund.

Eine weitere Statistik der BBC zeigt den Prozentsatz der Empfangsgeräte, die von Juli bis Dezember 1949 bei Fernsehteilnehmern verschiedener Einkommensklassen installiert wurden:

Einkommen über 1000 Pfund pro Jahr 9 fo der neuen Fernsehteilnehmer:

Einkommen über 1000 Pfund pro Jahr 9% der neuen Fernsehteilnehmer.
Einkommen über 650 - 1000 17% der neuen Fernsehteilnehmer.
Einkommen über 350 - 650 55% der neuen Fernsehteilnehmer.
Einkommen über unter 350 19% der neuen Fernsehteilnehmer.

Die Zahl der Fernsehteilnehmer in den niederen Einkommenssohichten wächst demnach in England rascher an, als in den hohen.

Dabei ist zu bedenken, daß - wie die Statistiken der BBC beweisen - das Interesse an den Fernsehdarbietungen bei den wohlhabenden Kreisen geringer ist, als in Familien mit niedrigerem Einkommen. Letztere müssen sich das Empfangsgerät oft unter Entbehrungen anschaffen. Für sie ist es eine Quelle sonst unerreichbarer Unterhaltung, Belehrung und Information. Folgende Statistik gibt darüber Auskunft:

Beschäftigung der Mitglieder von Fernseh-Familien während der Abendprogrammzeit:

  Familien mit Familien mit
  hohem Einkommen: niedrigem Einkommen:
Fernsehen 37% 51%
Radiohören 16% 14%
Daheim, jedoch anders beschäftigt 24% 18%
Abwesend 23% 17%

FI-1951 / 2.Juli-Ausgabe - AUSLAND - Holland
Die Fernseh-Entwicklung in Holland

(Von unserem K.W.-Mitarbeiter.) - Den Haag. Ende Juli 1951

In Holland ist die Fernsehentwicklung seit rund zwei Monaten in einem Schwebezustand, der jedoch wahrscheinlich zum Oktober sein Ende finden dürfte. Der Staat, der die Fernsehsender baut und betreibt, war aufgefordert worden, auch Mittel für die Programmgestaltung - mindestens für die ersten beiden Versuchsjahre - zur Verfügung zu stellen.

Das wurde vom Parlament abgelehnt, wobei ausserdem offen bliebt, an wen und in welcher Form nach diesen zwei Jahren eine Lizenz erteilt werden würde. Daraufhin ist Ende Mai eine Televisie-Stichting (Fernseh-Vereinigung) gegründet worden, der Rundfunkgesellschaften und Regierungsvertreter angehören.

Der Staat betreibt den Sender

Nunmehr wird der Staat den Sender Lopik betreiben (er ist bereits fertiggestellt). Der Sender Lopik arbeitet mit 30kW effektiv. 5kW Antennenleistung auf 50 Megacykles. Die Lizenz für einen Fernsehdienst hat für ein Jahr die Televisie-Stichting erhalten. Wie man hört, ist zunächst ein Fernsehdienst von 18 Wochenstunden geplant.

Philips wird die Studioeinrichtungen stellen. Auch hier ist eine ehemalige Garage in Büssum schon ausgebaut; die Rundfunkvereinigungen sollen ab Herbst einen Programmdienst aufbauen und die Programmgestalter stellen. Jede Gesellschaft hat in ihrem Etat dafür zunächst 150.000 Gulden je Jahr eingesetzt.

Ein Anfang mit 8 Mann.

In diesen Tagen sind acht holländische Rundfunkangehörige, die für den Fernsehdienst vorgesehen sind, von einem BBC-Kursus über Fernsehfragen aus London zurückgekehrt. Es steht zwar noch nicht genau fest, wann der Versuchsdienst in Holland beginnen wird und wieviel Stunden er täglich umfassen soll. Bemerkenswert und vorbildlich ist jedoch, daß die großen Rundfunkgesellschaften trotz unterschiedlicher Tendenzen eine Absprache getroffen haben, die Fernsehprogramme gemeinschaftlich zu gestalten. Das kann sich vor allem in den Entwicklungsjahren höchst vorteilhaft auswirken, nicht zuletzt in Bezug auf die Kosten.

Es verlautet, daß die Philipswerke drei Empfängertypen entwickeln: ein Tischgerät, einen Standempfänger und eine Fernseh- und Rundfunktruhe. Die Preise könnten für den ersten Apparat zwischen 700 und 800 Gulden, für den zweiten Typ zwischen 900 und 1000 Gulden liegen. Zurzeit sind Empfänger nur bei bestimmten Interessenten und Werksangehörigen aufgestellt; Vorbestellungen von privater Seite werden jedoch entgegengenommen. Die Zahl der gebastelten Geräte kann vielleicht mit 200 bis 300 angenommen werden. Es wird geschätzt, dass die Zahl der Teilnehmer in fünf bis sechs Jahren rund 225.000 betragen dürfte.

FI-1951 / 2.Juli-Ausgabe - AUSLAND - Österreich
Fernsehversuche in Österreich.

Fernseh G.m.b.H. Darmstadt hilft der TH Wien. - Von unserem Wiener Mitarbeiter
L.L. Wien, Ende Juli 1951

Anlässlich einer Studienreise, die ihn über London nach Darmstadt führte, konnte der österreichische Fernseh-Experte Ing.Sliskovic die Unzulänglichkeiten, mit denen die Technische Hochschule in Wien beim Betrieb und weiteren Ausbau ihrer Fernseh-Versuchsanlage zu kämpfen hat, bei der Fernseh G.m.b.H. in Darmstadt vorbringen. Da die bei der TH in Wien vorhandenen Bildaufnahme- und Bildwiedergaberöhren den derzeitigen Anforderungen nicht mehr genügen, die Dotationen der Hochschule aber eine käufliche Erwerbung nicht zulassen, bestand die Hauptschwierigkeit in der Beschaffung solcher moderner Röhren. Direktor Möller von der Fernseh G.m.b.H. in Darmstadt war von der Schilderung des Ing. Sliskovic über die Funktion der Anlage in Wien, die - wie wir in der 2. Juni-Ausgabe der "Fernsehin-Iormationen" bereits berichteten - unter Leitung von Dipl.Ing. H. Hudler aufgebaut wurde, und die die einzige ihrer Art an einer Hochschule im deutschsprachigen Gebiet darstellt, so beeindruckt, daß er sich bereit erklärte, ein moderndes Superikonoskop und eine Bildwiedergaberöhre der TH in Wien unentgeltlich zu überlassen. Durch dieses großzügige Geschenk wurde ein fast unüberwindbares Hindernis beseitigt und eine wesentliche Verbesserung der Wiener Fernseh-Anlage vorbereitet.

FI-1951 / 2.Juli-Ausgabe - Frankreich
AUSLANDSÜBERBLICK und ANREGUNGEN

In der Debatte über das Budget des französischen Rundfunks für das Geschäftsjahr 1951 legte die Nationalversammlung fest, daß Reklame-Sendungen grundsätzlich nicht gestattet sind. Eine einzige Ausnahme bilden Gemeinschaftswerbungen im nationalen Interesse von ausdrücklich genehmigten Wirtschaftszweigen. Das Parlament genehmigte neue Werbesendungen für landwirtschaftliche Produkte. Der Gewinn aus diesen Sendungen soll zur Verbesserung der Fernsehprogramme verwendet werden.

In der Debatte führte Informationsminister A. Gazier aus, daß nur 5% der jährlichen Rundfunksendezeit für Reklamesendungen dieser Art benützt werde und dass der Gewinn - bei einem Jahresetat von 7 Billionen Ffrs. - nur 26 Mill. Ffrs. betrage.
Alle Abgeordneten stimmten einmütig für den Antrag des Presse-Ausschusses, Reklame-Sendungen im Fernsehen nicht zu gestatten. Auf Werbeprogramme, die im öffentlichen Interesse liegen, soll eine Steuer von 15% erhoben werden, auch wenn sie von französischen Unternehmen an Sender ausserhalb Frankreichs gegeben werden.

Von den 25 wöchentlichen Sendestunden der Fernsehsender Paris und Lille wurden 4 Stunden der katholischen Kirche - jeweils am Sonntag Morgen - zur Verfügung gestellt. Das Fernsehen übernimmt für diese Programme nur einen Teil der künstlerischen und technischen Betriebskosten. Die Vorbereitung der Sendungen, das Sekretariat usw. übernimmt ein zu diesem Zweck neugegründeter kirchlicher Fernsehausschuss. Diesem "Comite Francais de Television en matiere religieuse" gehören einerseits Fachleute, Künstler und Techniker an, andererseits zahlende Mitglieder, die die Programmgestaltung ermöglichen.

FI-1951 / 2.Juli-Ausgabe - Schweiz

Die am Fernsehen interessierten schweizerischen Industriebetriebe gründeten einen eigenen "Verband der Schweizerischen Fernsehindustrie (Association de l'Industrie suisse de la television). Schon vorher haben die bedeutendsten Schweizer Radiofirmen in engem Gedankenaustausch gestanden. Der neue Zusammenschluss wird zweifellos die Stellung der schweizerischen Fernsehindustrie stärken. Zum Präsidenten des neuen Verbandes wurde Paul Dewald, Zürich, zum Sekretär Dr. A. Gmür, Solothurn, gewählt.

FI-1951 / 2.Juli-Ausgabe - Irland

Auf dem Gelände der Royal Dublin Society wird seit Anfang Mai zum ersten Mal auf irischem Boden Fernsehen gezeigt. Veranstalter ist eine Rundfunkfirma. Fernsehgeräte dürfen jedoch erst verkauft werden, wenn in Dublin ein eigener Fernsehsender gebaut wird.

FI-1951 / 2.Juli-Ausgabe - Dänemark

Wie verlautet, beabsichtigt Dänemark etwa ab Oktober dreimal wöchentlich eine Stunde Fernsehversuchssendungen zu verbreiten. Die Kosten eines solchen Dienstes werden mit ungefähr einer halben Million Kronen angesetzt.

FI-1951 / 2.Juli-Ausgabe - Polen

In Warschau wird ein Fernseh-Versuchsstudio eingerichtet werden. Im Rahmen des Sechsjahresplanes ist ausserdem die Entwicklung eines Fernsehempfängers vorgesehen, der sich zur Massenanfertigung eignet.

FI-1951 / 1.August-Ausgabe - AUSLAND - Belgien
Belgische Fernseh-Vorbereitungen.

Eine Unterredung mit dem Vorsitzenden der belgischen Fernseh-Kommission.
Ein "Schuman-Plan für das Fernsehen". (Von unserem Hamburger Mitarbeiter)
Wgf. Hamburg, Anfang August 1951

In Belgien wurde vor kurzem eine Fernsehkommission ins Leben gerufen, die alle Fragen dieses neuen Sendedienstes eingehend prüfen soll. Ihr gehören Vertreter der Universitäten Brüssel, Löwen, Lüttich und Gent an, vier Direktionsmitglieder der Belgischen Rundfunkgesellschaft (INR), Vertreter der zuständigen Ministerien und der Industrie. Unter Führung des Vorsitzenden, M. Malderez, besuchten vier Mitglieder des Ausschusses den NWDR, um sich über die bisherigen Erfahrungen und die Planungen des Fernsehrundfunks zu unterrichten.

Auch die Belgier waren schon überall

In einer Unterredung betonte M. Malderez, daß bereits die USA, England, Frankreich und Holland bereist worden seien. Belgien befände sich in einer besonders schwierigen Lage. Das Land liegt zwischen Frankreich, Holland und Deutschland, es muss also darauf bedacht sein, schon rein technisch seinen Fernsehdienst so aufzubauen, daß keinerlei gegenseitige Störungen auftreten können. Da in Frankreich einerseits, in Holland und Deutschland andererseits eine unterschiedliche Zeilennorm verwendet wird, muss Belgien sehr sorgsame Untersuchungen vornehmen, ehe es sich für ein System endgültig entsehliesst. Quer durch das Land läuft die Sprachgrenze; allein aus ihr ergeben sich weitreichende Folgerungen für die Standorte von zukünftigen Fernsehsendern, für die Gestaltung von zwei getrennten Programmen und die daraus resultierenden erhöhten Kosten.

"Schuman-Plan" für das europäische Fernsehen

Herr M. Malderez, der Generalsekretär des Verkehrsministeriums, betonte, daß er die ideale Lösung in einem "Schuman-Plan" für das europäische Fernsehen sehen würde. Die Fernsehentwicklung ist für alle Länder unseres Kontinents von gleicher, ausserordentlicher Bedeutung, nicht nur unter dem Gesichtspunkt einer möglichst einheitliehen europäischen Norm, sondern ebenso als Mittel kulturellen Austausches geistiger Güter.

Belgien hat noch keine Entscheidung über die 819-Zeilen-Norm und die 625-Zeilen-Norm gefällt. Herr Malderez betonte, daß er in Gesprächen mit Dir. Nestel vom NWDR ein ausserordentliches Verständnis für die Lage Belgiens gefunden habe. Er erklärte ferner, dass Belgien nicht über eine Bandbreite von 8,4 Mghz hinausgehen werde.

Wer soll das belgische Fernsehen machen ?

Es steht noch nicht eindeutig fest, wer einmal das Fernsehprogramm verantwortlieh gestalten wird. Die Belgische Rundfunkgesellsehaft kann aus ihrem Statut heraus einen Anspruch dazu ableiten, jedoch wäre theoretisch auch denkbar, dass ein besonderer Fernsehorganismus ins Leben gerufen würde. Zunächst sind allein die technischen Fragen wesentlich, die alle Diskussionen beherrschen. Die Kommission hat aus allen bisherigen Besuchen ersehen, daß das Beispiel, das die Fernsehentwicklung in den USA gibt, auf Europa nicht einfach übertragen werden kann. Hier liegen Parallelen z.B. zu England bedeutend näher. Daher könne heute auch noch nichts über die Organisation eines Sendernetzes oder den Programmaufbau gesagt werden; auch die Preise für die Empfänger, die ja einen wesentlichen Punkt für die Fernsehverbreitung bilden, können noch nicht genannt werden. Wenn man die Möglichkeiten einer kommenden Entwicklung vorsichtig und optimistisch abschätzen will, wäre vielleicht damit zu rechnen, daß in den nächsten 4 bis 5 Jahren 300.000 bis 500.000 Fernsehteilnehmer in Belgien (bei 1,5 Millionen Rundfunkteilnehmern = 18% der Bevölkerung) gewonnen werden können.

UKW in Deutschland vorbildlich

Abschliessend äusserte sich Generalsekretär Malderez ausserordentlich lobend über die Entwicklung, die der Ultrakurzwellen-Rundfunk in Deutschland genommen hat. Er könne durchaus Vorbild für andere Länder sein, die bisher erzielten guten Ergebnisse liessen eine Fülle von ausgezeichneten Möglichkeiten für die Zukunft erwarten. Das gilt besonders auch für die Lösung der Fragen, die sich aus dem Wellenmangel im europäischen Rundfunkbereich ergeben. M. Malderez betonte, daß er eine Einführung des UKW auch in Belgien sehr befürworten werde.

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