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1967 - Die Fese und das Orthicon und die Farbe . . .

Es war 1950, als man überall auf der Welt über "Farbfernsehen" nachdachte. Natürlich ist "überall" etwas übertrieben, es waren die USA, ein paar Länder in Europa, vielleicht Japan und das wars dann auch schon. Die anderen Länder hatten 5 Jahre nach dem 2.Weltkrieg immer noch ganz andere Probleme und Sorgen.

Auch war die Kommunikation noch lange nicht auf einem Niveau, das man irgendwie mit "Heute" vergleichen könnte. Die Fernseh- Aufnahmetechnik rankte sich um das Super-Orthicon, das bei RCA entwickelt wurde und hier bei der Fernseh GmbH in Damstadt fortlaufend verbessert wurde. Die Fese hatte, wie vor dem Krieg, wieder eine eigene Glasbläserei, ein HV-Labor (Hoch-Vakuum) und vor allem das Wissen, wie man solche "Bildfänger"- Röhren fabriziert. Von dem veralteten Iconoscop nahm man so langsam Abschied.

Bis etwa 1960 erschienen immer wieder detailierte Vor-Berichte oder besser Visionen, was man für "die Farbe" so brauchte und womit man das eventuell professionell realisieren könnte. Der Videorecorder war sowieso noch Zukunft und kam in den USA erst 1956 zum Einsatz und in Deutschland (West) hatten wir dann in 1959 auch eine allererste schwarz-weiße Ampex MAZ beim SWF.

Die Fese Orthicon s/w Kameras erreichten ein hohes Niveau.

Ein 3" + 4,5" Orticon
Das 4,5" Orticon
von der Seite
das Target
etwas anders beleuchtet

Sogar die Amerikaner bei den Sendern (also nicht die RCA-ler) staunten, was da so alles aus Deutschland kam und in welcher tollen Qualität. Doch (auch) die (deutschen) Orthicons hatten immer noch Schwächen. Wir spechen dabei schon von den erheblich verbesserten 3" Super-Orthicon Röhren der Fese Entwicklung und Produktion aus Darmstadt.

Wie ich erst in den letzten Jahren vor und um 2010 von den inzwischen alten Experten aus der Kamera-Entwicklung erfahren hatte, kam das gesamte Draht-Innenleben eines Orticons nach wie vor von RCA aus den USA. Nur das Target und der Glaskolben sowie die Montage geschah in Darmstadt.

Das Target war bei den 3" Röhren der Knackpunkt. Nach den mir vorliegenden Berichten und Artikeln aus 1957 bis 1966 war das mit der Verzeichnung des abgebildeten Bildes auch ein Problem, das man mechanisch konstruktiv nicht in den Griff bekam. Es wurde elektronisch leidlich korrigiert.

Erstaunlich: Kein einziges Orthicon glich dem Anderen. Man konnte mit der (gewaltigen) Ablenkeinheit einiges an Krümmungen und Verzeichnungen korrigieren, doch so richtig rechteckig und linear wurde das Bild nie. (Das sagen die inzwischen pensionierten Bildröhren-Gurus aus den "Veteranentreffen").

Das Super-Orticon der bekanten Bauarten hatte noch einen gravierenden Nachteil. Das Bild zitterte bereits bei kleinsten Erschütterungen ganz leicht, der ganze (große und verhältnismäßig schwere) metallne Draht-Innenaufbau zitterte. Man sprach auch von einem "Mikrofonie-Effekt". Bei schwarz/weiß fiel das nicht so auf, denn da hatte man ja nur eine Röhre.

Bei Farbe, also im Dreier- oder sogar Vierergespann, war das fatal. Außer daß jede Röhre einzeln von der Kissenverzeichnung / Konvergenz her korrigiert werden mußte, war das ganze 3-Röhrensystem extrem instabil, weil temperaturabhängig und das Bild flimmerte (kriselte) noch dazu viel zu oft, nämlich bei jeder kleinsten Erschütterung.

Dieses Problem war nach den Ergebnissen der Philipser überhaupt nicht in den Griff zu bekommen und Philips hatte die Farbkamera- Entwicklung mit Orthicons bereits 1960 !!!! komplett eingestellt.
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Die Farbkamera mit 3 Orthicons hatte nie funktioniert.

Auch die Amerikaner bei RCA entwickelten zuerst mit dem eigenen Orthicon und bauten 3 oder 4 davon in ihre Kameras bzw. Prototypen ein. Diese ersten Kameras waren dadurch natürlich riesig, also absolut unförmig und gewaltig ud deutlich größer als unsere ersten FESE Protoypen. Von den sagenumwobenen 185 Kilo können wir nur vom Hörensagen spekulieren. Es existiert heute bei uns keine solche amerikanische Farbkamera mehr.

Der Knackpunkt war, daß man mit nur einer Röhre (egal welcher) damals keine Farbe "machen" konnte. Und mit 3 Orthicons bekam mein kein deckungsgleiches (konvergentes) Bild in Farbe aus der Kamera heraus. Die Orthicons waren deutlich temperaturempfindlich und mußten lange vor dem Einschalten vorgewärmt und dann später im laufenden Betrieb wieder gekühlt oder nachgeheizt werden.

Offensichtlich waren diese Unzulänglichkeiten bei schwarz weiß noch zu tolerieren, solange das Bild einigermaßen hell, kontrastreich und scharf war. Doch bei Farbe sah sogar der unkritischste Betrachter sofort, wenn die Konvergenz laufend aus dem Ruder lief. Das ging einfach nicht.

Dazu hatte die (EBU ähnliche Vorläufer-) Institution schon die Kriterien für ein akzeptables Farbbild formuliert und in technische Daten gefasst.

Doch der Ehrgeiz saß bei den Fese-Chefs tief drinnen

Wie wir heute wissen, waren mindestens drei der Führungskräfte der damaligen Fese die gleichen (Doktoren) wie in der Vorkriesgmannschaft. Und die waren zwar damals 1938 richtig gut, doch waren sie vermutlich so langsam beratungsresistent geworden und wollten die Orthicon Versuche einfach nicht aufgeben oder sich gar neuen Ideen zuwenden.

Das Plumbicon ist eine Philips Entwicklung von 1960/61
und die gab es nur von Philips

Etwa ab 1962/63 sickerten immer mehr Details aus den Philips Röhrenlaboratorien auch hier nach Darmstadt rüber, daß da "jemand" bei Philips ab 1960 eine ganz tolle neue Aufnahmeröhre entwickelt hatte. Man hatte bei Philips die (oben benannten) Schwächen des Orthicons schon lange im Blick und experimentierte bei der ganz neuen Target Schicht (das ist die lichtempfindliche Schicht vorne auf ( in !) der Röhre, eigentlich das Fenster) mit diversen verschieden dicken Bleisulfat-Halbleitern und wurde fündig.

Und diese dann danach so benannten Plumbicon Röhren hatten erst ein 1,5" Format, später dann nur noch 1" und waren zwar nicht so lichtempfindlich, aber sonst erstaunlich gut. Doch das war ja Konkurrenz und "wir" in Darmstadt hatten ja schließlich ein eigenes HV-Lobor, eine eigene Gasbläserei und eine eigene Fertigung. Es muß mit unseren Produkten gelingen, zumal einer der drei Doktoren seine Doktorarbeit über das "reichsdeutsche Orthikon" geschrieben hatte.

Und ein (dreier) Satz Philps Plumbicons kostete von Anfang an 30.000.- (deißigtausend) Mark. Das saß tief, die könnte man doch sparen, man war ja immer und immer wieder ganz dicht oder ganz kurz vor der Lösung.

1967 - Die Eröffnung des Farbfernsehens vermasselt
oder den Zug der Zeit verschlafen ?

Die erste LDK3 im ehemaligen Fernsehfundus in Wiesbaden

Doch es klappte nicht und über die verbalen Vertröstungen (der interessierten Fernsehanstalten) ist heute fast nichts mehr erhalten. Als 1965 die Philips Entwickler die erste LDK3 als Protoyp vorzeigten, wurde vermutlich in Darmstadt behauptet, das können wir auch und eigentlich könne es losgehen. Die Entscheidung für PAL war bereits 1964 gefallen und jetzt waren die Hersteller gefordert.

Wann der berühmte August 1967 zur deutschen Funkausstellung wirklich festgelegt wurde, muß ich noch recherchieren. Jedenfalls im Januar 1967 war keine Fese Farb-Kamera fertig und selbst im Juni konnte immer noch kein auch nur "zufrienstellendes" Muster gezeigt werden.

Die 4-Röhren Farbkameras der Fese waren einfach nicht fertig.
Viele merkten, daß das Versteifen (der alten Doktoren) auf die alten Orthicons nicht der Stein der Weisen war. Natürlich wurmte das viele engagierte Mitarbeiter der Kamera-Entwicklung. Nach Aussagen der alten Fese Mannen war es aber (für das eigene persönliche berufliche Überleben innerhalb der Fese) überhaupt nicht "gesund", dagegen zu opponieren.

Also wurde das deutsche Farbfernsehen mit holländischen Philips LDK3 Kameras eröffntet und Vivi Bach und Dietmar Schönherr strahlten in bunt in die holländischen Plumbicon Röhren, zwar mit Schneider Objektiven. Doch es war schon eine (selbstgemachte) mediale Pleite, kein eigenes deutsches Kamera-Produkt zu dieser Show zeigen zu können.
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