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typische historische Kamera

Zum Auffrischen und Erinnern . . . .

. . . sind diese Seiten hier gedacht, denn viele wissen nicht mehr oder noch nicht, wie es damals angefangen hat und wie das wirklich funktioniert mit dem Fernsehen, den Kameras, den Videorecordern, den Tonband- und den Magnetband- geräten aus alter Zeit. Viele Bilder können Sie durch Anklicken vergrößern.

Vorwort zur Vinten Story:

180 Seiten in englisch

Diese Story ist aus dem Buch "Images of Success" und anderen Publikationen zusammengestellt. Durch die Vornamen ist es immer ein wenig verwirrend, wer denn nun Bill Vinten ist, der Vater oder der ältere oder der jüngere Sohn.

William Charles Vinten (der Vater) wurde 1880 geboren (gestorben 1937, Nov 16.). 1905 zu Weihnachten heiratete er Ellen. 1907 wurde die Tochter Maisie als erste von 5 Kindern geboren. 1909 wurde Charles, der älteste Sohn, geboren. Dann folgten später Tochter Jean, Pip und 1920 der jüngste Sohn Bill.

Sowohl der Vater (William Charles) wie auch die beiden Söhne (Charles der älteste und Bill der jüngste) wurde verwirrender Weise immer wieder "Bill" genannt und auch gerufen. Hier wollen wir auch etwas Klarheit bringen, denn es waren zwei Vintens als die Erfinder. Und es war etwas mühsam, das alles zwischen den Zeilen herauszufinden.

Also: Vater William Charles Vinten hatte bis 1936/37 die Ideen und das Sagen in der Firma. Dann übernahm der ältere Sohn vom kranken Vater das Sagen und auch die Entwicklung. Der jüngere Bruder war damals Kameraman bei der BBC und gab die entscheidenden Impulse und Gedankenanstöße aus der Praxis und sein Bruder realisierte das dann. Es gab also zwei Erfinder bei den Vintens.

Die Vinten-Historie (nach einer Vorlage aus dem Vinten Buch und einem Artikel von Franz Weich)

Bill Vinten 1910 (der Vater)
Das berühmte Alhambra Thea­ter

William Charles Vinten (1880-1937)
William Charles Vinten gründete als Dreizehnjähriger 1893 seine erste Firma "Halifax Brothers". Für ein englisches Sixpence reparierte er die Fahrräder seiner Freunde und Bekannten. Nicht lange danach trat als Mechanikerlehrling bei der Firma Vickers Ltd. ein. Trotz der enormen Arbeitszeit von ca. zwölf Stunden pro Tag schaffte er es, zuhause auf einer pedalgetriebenen Spitzendrehbank noch zusätzlich zu arbeiten, um ein bißchen Geld auf die Seite zu bringen. Sein nächster Job war in einer mechanischen Werkstatt, in der er sich um die Dreherei kümmerte.

Der Denkanstoß kam im Alhambra Kino

Eines Abends fuhr er mit dem Bus nach Willesden in Nordwest-London zum Leicester Square, um im "Alhambra Thea­ter" eine Show zu sehen. Und an diesem Abend gab es im Alhambra-Kintopp (dem modernsten zu jener Zeit) das neu­este in der Unterhaltungsindustrie: "Cinematographie" wurde dort demonstriert. Von da an war es um den jungen Vinten geschehen. Von nun an beschäftigte ihn nur noch Kinotechnik und Fototechnik.

Beim Kinopionier R.W. Paul bekam er ei­ne Lehrstelle. Aber damit nicht genug, in seiner Freizeit arbeitete er für Charles Urban, der gerade mit der Er­findung seines Colorprozesses beschäf­tigt war. Vinten baute für Urban die Stanz­werkzeuge für die Filmperforation, und Urban war so beeindruckt von den ferti­gen Werkzeugen, von deren Präzision und hervorragendem Finish, daß er Vinten auf der Stelle einen Meisterposten in seiner Werkstatt anbot. Hier also begann der junge Vinten seinen nächsten Job, wahrhaftig ideal für den von Technik und Film Besessenen.

Eine Vorgschichte mit Farbfilmversuchen um 1900

Charles Urban 1912
Der 35m Zweifarben Filmprojektor

Der »Kinemacolor Process«, an dem Ur­ban arbeitete, basierte auf einem Patent von Marshall Lee und Edward R. Turner vom März 1899. Sie bauten ein rotieren­des Filter vor die Kamera-Optik, das aus drei Farbsegmenten bestand: Rot, Grün und Blau. Es wurden auf diese Weise im­mer drei Farbauszüge hintereinander auf einen Schwarzweiß-Film belichtet.

Die fertige Kopie wurde auf einen dreilinsigen Projektor mit drei Bildbühnen projiziert, vor jeder Bildbühne wieder das entsprechende Farbfilter, so daß immer drei Farbbilder auf der Leinwand überein­ander projiziert wurden und ein echtes Farbbild ergaben. Für das Verfahren wurde eine Kamera ge­baut (1901) und ein Jahr später auch ein Projektor. Als Turner starb, erwarb Char­les Urban die Patentrechte und tat sich mit einem Filmemacher aus Brighton (George Smith) zusammen, um die Experi­mente weiterzuführen. Leider entpuppte sich die glänzende Idee als technisch nicht praktikabel.

Da die ganze Filmtechnik ja darauf beruht, daß die Trägheit des Auges die Phasenbilder nicht mehr ein­zeln, sondern als kontinuierlichen Bewegungsablauf wahrnimmt, ver­suchte Smith dies durch eine höhe­re Geschwindigkeit des Filmdurchlaufes zu erreichen. Mit der Normalgeschwindig­keit (damals 16 Bilder/s) wurde mit den drei verschiedenfarbigen Bildern hintereinander nur ein fürchter­liches Durcheinander von Farbflecken er­zielt. Erst bei 48 Bildern pro Sekunde be­ruhigte sich das "Bild" und wurde zu ei­ner erträglichen Filmvorführung. Aller­dings war diese Geschwindigkeit weder dem Material noch den Projektoren zu­träglich.

1906 kamen Smith und Urban auf eine Idee, die zum ersten Mal einen praktisch durchführbaren farbigen Filmprozeß er­möglichte. Wenn sie nur zwei Grundfar­ben benutzten, nämlich Rot und Grün, konnten sie immer noch ein Farbbild von erstaunlicher Farbrichtigkeit erzielen. (http://www.charlesurban.com/color.htm)

1909 - Vinten macht mit beim Kinemacolor-Verfahren

Dezember 1909 - der erste Vinten "Groß-" Auftrag

Smith ließ sich die Zweifarben-Methode im November 1906 patentieren. Bei einer Vorführgeschwindigkeit von 32 Bildern pro Sekunde entstand durch die alternierenden roten und grünen Bilder auf der Leinwand ein Farbbild von er­staunlicher Qualität und mit nur geringem Flickern der Farben. Der neue Prozeß wur­de Kinemacolor genannt und wurde von der Royal Society of Arts am 9. Dezember 1908 erstmals öffentlich demonstriert.

Die Kinemacolor-Technik trat einen wah­ren Siegeszug an. Eine der ersten Kinemacolor- Großproduktionen war ein umfassender Bericht über die Krönung von König George V. und die Flottenschau, uraufgeführt am 28. Juni 1911.

Als Ende 1912 eine große Dokumentaion über den Bau des Panamakanals gezeigt wurde, schrieb die "Pall Mall Gazette" be­geistert: Kinemacolor... eilt von Triumph zu Triumph. Nach einem beispiellosen Erfolg mit dem wunderbaren Durbar-Film begeisterte es gestern nacht ein riesiges Publikum mit dem nicht weniger erstaun­lichen Bildwerk über den Bau des Pana­makanals.

Nach der Gründung der "Natural Color Kinematograph Company" bot Urban Char­les Vinten (dem Vater) die Chance, einen Teil des Urbanora-Hauses zu pachten und sich selbständig zu machen. Vinten kratzte sein ganzes Geld zusammen und etablier­te seine Firma "William Vinten Cinematograph Engineers" mit dem hauptsächli­chen Geschäftsziel, Service für Kinoka­meras durchzuführen.

Einer seiner ersten Aufträge, persönlich angeboten von Charles Urban im Dezem­ber 1909, lautete über fünfundzwanzig Kinemacolor-Projektoren, das Stück zu 28 Pfund Sterling. Wenn man davon ausgeht, daß ein gelernter Mechaniker zu jener Zeit etwa zwei bis drei Pfund pro Woche ver­diente, dann war das ein guter Anfang.

Die ersten Vinten-Patente

Die Vinten Fabrik in 1916
1919 Die Vinten 35mm Kamera Modell C

Es dauerte nicht lange und Vinten hatte sich einen exzellenten Ruf für seine Präzi­sionsarbeit erworben. Auch die Polarfor­scher Earnest Shackleton und Robert Scott kamen zu Vinten in die Werkstatt, um sich ihre optische Ausrüstung, die ja selbst bei den tiefsten Temperaturen noch funktionieren mußte, bauen zu las­sen.

Für "Universal Newsreel" entwarf Vinten ei­ne Filmentwicklungs- maschine und noch kurz vor dem ersten Weltkrieg erhielt er zwei Patente für eine Präzisions- Ganzmetallkamera (die später Modell C ge­nannt wurde) und einen Brandschutzap­parat für Kinoprojektoren. In der damaligen Zeit der Nitrofilme war das si­cher ein sehr wesentliches Gerät.

Dann brach der 1.Weltkrieg aus und Kinokameras und Projektoren standen auf der Liste der Kriegsproduktionen ziemlich weit unten. Maschinengewehre waren ge­fragt und Kameras für die Flugzeugauf­klärung, ein völlig neuer Produktions­zweig, der auch später noch eine wesent­liche Rolle in der Geschichte der Firma Vinten spielen sollte.

1922 - Vintens Filmbilder aus der Luft

Eine der ersten Flugmaschinen, die mit einer sogenannten "Aufklärungskamera" von Vinten aus­gerüstet war, wurde von Claude Friese-Greene geflogen (dem Sohn von Wil­liam Friese-Greene), Fotograf und Erfin­der, der sich schon vor der Jahrhundert­wende mit der Herstellung von Kinokame­ras und Projektoren befaßt hatte. Etwas später wurde eine Weitwinkelka­mera entwickelt und dann eine 35mm Film Foto­kamera, um Luft­aufnahmen zu machen.

Die ersten Nachkriegsjahre (des 1. Weltkriegs) allerdings schienen die Vinten-Erfolgsstory zu been­den. Weltweite Wirtschaftsflaute und In­flation und natürlich vor allem die Domi­nanz der Amerikaner in der Filmindustrie bekam auch Vinten zu spüren. Kriegsge­rät war nicht mehr gefragt und die Ver­käufe gingen zurück.

1922 arbeitete William Charles Vinten nur noch mit drei Mann in seiner Firma. Als Zulieferer für die Autoindustrie und durch die Herstellung von Präzisionswerkzeug für das Goldschmiede- und Juwelierhand­werk hielten sie sich über Wasser.

1934 Die Vinten 35mm Kamera Modell H

Vinten baut 35-mm-Kinokameras

Obwohl Vintens Ganzmetall-Kinokamera Modell C von der technischen Fachpresse als wegweisend und hervorragend gefei­ert wurde, war sie wohl für den gewohn­ten Standard der damaligen Kameramän­ner zu sehr ein Präzisionsinstrument und ihrer Zeit voraus, sie wurde also nicht be­nutzt und damit nicht verkauft. Sicher spricht es für die Konstruktion und Bauweise der Modell C-Kamera, daß einige davon bis in die frühen fünfziger Jahre in Gebrauch waren.

Die Arbeit für andere Industriezweige si­cherte die Existenz der Firma, aber Vater Vinten glaubte immer an die Möglichkeiten des Films.

1924 - die William Vinten Ltd. wird gegründet

Die Vinten Fabrik in Cricklewood 1931

1924, die große Depression war im­mer noch nicht überwunden, gründete Vinten die William Vinten Ltd., und in­nerhalb von vier Jahren wuchs der Auf­tragsbestand so sehr, daß die alten Ferti­gungsstätten aus allen Nähten platzten. Vinten mußte in ein neugebautes Fabrikge­bäude nach Cricklewood, an Londons North Circular Boad, umgeziehen.

Hier wurde für die (englische) Marine eine Highspeed-Kamera entwickelt, eine verbesserte Version davon als Highspeed-Aufklärungskamera für die Royal Air Force gebaut und die 35mm Kinokamera Modell H projektiert. Übrigens war die erste Unterwasserkamera, die Hans und Lotti Hass verwendeten - eine umgebaute Vinten-Kamera - vom gleichen Typ, der auch an die englische Marine ge­liefert wurde.

1933 Das Fernsehen in England begann

Baird Anzeige für 27 Pound Fernseher
1934 Vinten Modell H Kamera mit extra langem Teleobjektiv auf Modell-J Tripod
Englisches Filmstudio mit Vinten 35mm Blimp Kameras 1934

Eine völlig neue Phase der Entwicklung begann 1933. In diesem Jahr wurde in England das erste öffentliche "Televisionssystem" geplant. Drei verschiedene Systeme standen zur Debatte. Ein vollelektronisches System der Marconi/EMI Gruppe, ein ebenfalls elektronisches System der Cossor-Organisation mit einem unterschiedlichen Abtaststandard und das mechanische Laufscheibensystem (Nipkow-Scheibe) von John Logic Baird.

Bairds Arbeit war bereits 1928 in den Presse-Schlagzeilen gewesen, als ihm die erste "Television" eines Bildes von London nach New York gelang. Jetzt arbeitete er an einer Abtasttechnik für Film, mit dem Vorteil, dabei mehr Licht zur Verfügung zu haben als vollelektronische Systeme, die nur mit Tageslicht arbeiten konnten. Der Nachteil war, daß damit keine aktuellen Sendungen möglich sein würden.

1934 allerdings hatte Vinten dann eine Highspeed- Entwicklungs -maschine für Film perfektioniert, die es möglich mach­te, den belichteten Film sofort zu ent­wickeln und schon 22 Sekunden nach dem Ereignis durch den Abtaster laufen zu lassen. Vom britischen Postministeri­um wurde jedoch ein vollelektroni­sches System ausgewählt; News Studio und Sendestation befanden sich im Ale­xandra Palace in London. Von hier aus nahm die Television ihren Weg.

Sensationell war eines der ersten wirk­lich langbrennweitigen Aufnahmegeräte. Vinten baute eine 56"-Optik (immerhin 140cm lang) an eine seiner Kameras der H-Reihe und so konnte "Pathe News" eine Nahaufnahme des Königs während einer Trup­penparade in der Mall drehen und senden. Die große Masse des Publikums allerdings hatte keinen Anteil an all diesen techni­schen Neuigkeiten und Sensationen.

Ein Fernsehempfänger tauchte (wie auch in Deutschland) nicht mal in den extravagantesten Träumen des Nor­malbürgers auf. Die Geräte, die 1936 in England auf dem Markt waren, kosteten 89 Pfund für ein Baird Modell T5 für den Empfang des Baird 240 Linien Bildes oder des EMI 405 Linien Bildes auf eine Monitorgröße von 12 x 9". Oder 142 Pfund für ein PYE Modell 4200 mit einem Rundfunkempfänger für alle Frequenzen und einem Plattenwechs­ler. Der Durchschnittswochenlohn für die Glücklichen, die Arbeit hatten, betrug 3 Pfund und 10 Schillinge!

1937 - Generationswechsel - William Charles Vinten stirbt

Ellen und W.C.Vinten haben 5 Kinder (Bild von 1930)

1937 starb William Charles Vinten, erst 57 Jahre alt.
Sein ältester Sohn, Charles Vin­ten, der 1927 in die Firma eingetreten war, wurde Managing Director. Im folgenden Jahr gelang der Firma Vinten eine neue mechani­sche Glanzleistung: die HS 300 wurde vor­gestellt - die erste 35-mm-Kamera der Welt, die mit intermittierendem Transport­system bis zu 300 Bilder pro Sekunde aufnehmen konnte. Sicher eine erstaunliche Tatsache, wenn man sich in Erinnerung ruft, daß die Kinotechnik nicht viel älter als runde vierzig Jahre war. Das erste Mo­dell der HS 300 steht heute im Wissen­schaftlichen Museum in London.

1939 - der 2. Weltkrieg bricht aus

Wieder ein Jahr später war der Prototyp einer Spiegelreflex- kamera fertig, aber dann - das war 1939 - brach der 2. Weltkrieg aus. Wie so vieles, wurde auch die Spie­gelreflexkamera nicht gebaut.

Erst nach dem Krieg wurde die Produktion aufgenom­men. Ebenso wurden die Arbeiten an den verschiedenen Fernseh- systemen einge­stellt. Die Elektroniker hatten Wichtigeres zu tun, als sich um die Unterhaltungsin­dustrie zu kümmern. Sie entwickelten jetzt Radarsysteme.

Die Firma Vinten baute während des Krieges Luftaufklärungs- kameras in gro­ßen Stückzahlen und entwickelte die Spiegelreflex weiter.

Hier die Vorschau auf die nächste Seite der Vinten Story:

1947 - Der Mechau Projektor und die Vinten Kamera zur Aufnahme von Fernsehsendungen

Nach 1945 liefen die Verträge mit dem Militär für die Aufklärungs- kameras aus (wie zum Beispiel auch bei Ampex in Amerika die Produktion von Motoren) und die Produktion der neuen »Everest« genannten Ka­mera begann. Entwicklungs- und Kopiermaschinen mit höherer Geschwindigke wurden gebaut, ebenfalls verschiedene bereits vor dem Kriege entworfene Schwenk- und Neigeköpfe ins Produktionsprogramm aufgenommen.

Für die ersten fünf, sechs Jahre nach Kriegsende waren dies die wesentlichen Produkte, die die Firma in ständig steigender Stückzahl produzierte. In diese Zeit fiel auch der Bau der ersten »Photofinish«-Kamera und einer TV-Telekamera mit der - besonders wichtig für die Briten - die Hochzeit von Prinzessin Elisebeth und Prinz Philipp aufgezeichnet wurde.

eine Uraltpumpe

1950 - Stative, Neige-Köpfe, Kräne, Pedestals

1950 traten zwei Ereignisse ein, die für die Weiterentwicklung der Firma Vinten von entscheidender Bedeutung waren: die Produktion und Entwicklung von Luftauf­klärungskameras für das Militär wurde wieder aufgenommen, und Vinten konnte sich dabei im internationalen Maßstab profilieren.

Gleichzeitig wurde das TV-Programm bei der BBC immer umfangrei­cher, der Bedarf an Geräten immer grö­ßer. Und Vinten war ein wohlbekannter Name für die Herstellung von Filmgeräten und Neigeköpfen für Kinokameras. Also beschloß man bei der BBC, diese Köpfe (auch) für die Televisionskameras zu kaufen.

Daß für das gewaltige Gewicht und die Größe der damaligen TV-Kameras die Anforderun­gen an die Kamerahalterungen noch grö­ßer sein würden als bei 35 und 70mm Filmkameras war eine Erkenntnis, die am Anfang vielleicht überraschte. Aber durch die gute Zusam­menarbeit von BBC und Vinten wurde die Erkenntnis sehr schnell in neue Entwürfe und Ideen umge­setzt.

1951 Der Pathfinder wird geboren

1951 wurde Vinten von der BBC beauf­tragt, einen motorisierten Kamerakran zu entwickeln und zu produzieren. Der "Pathfinder" war einer der ersten Entwicklungen in dieser Richtung, ein Kran mit Elek­tromotoren, die die notwendigen Bewe­gungen über Hydrauliksysteme und Fe­derdämpfungen lieferte. Ein Fahrgestell sorgte für die Mobilität, und eine Kamera­plattform nahm den Kameramann sowie die sehr schweren Televisionskameras auf.

1952 - Bill Vinten (jun.) kommt in die Firma

Bill der jüngste Vinten war Kameramann
Bill Vinten bekommt 1974 einen Award

Ein Jahr später kam auch der zweite (jüngste) Sohn von Vater William Charles Vinten in die Firma, William »Bill« Vinten. Er war ausgebildeter Inge­nieur und hatte zwölf Jahre lang in ver­schiedenen Filmstudios gearbeitet, unter anderem auch als Kameramann bei der BBC.

Das war natürlich ein idea­ler Background für seine Arbeit in der Fir­ma, der sich in den folgenden Jahren auch im Entwurf und in der Entwicklungsbegleitung von Kamerahalterungen niederschlug.

Dazu hatte die (staatliche) BBC sehr schnell einen weltwei­t hervorragenden Ruf für die hohe Qualität der dort produzier­ten frühen Fernsehprogramme. Und auch der BBC-Standard in Studioausrüstung wurde mehr oder min­der zum Maßstab für Studioequipment, wo immer ein TV-Studio eingerichtet wur­de.

Da bei der BBC fast exklusiv (mitentwickelte) Vinten- Kameraaufhängungen, Köpfe und Kräne benutzt wurden, war dies natürlich ein idealer Multiplikator für die immer größer werdende Produktpalette von Vinten.

Mitte der 50er - Eine Koperation: Vinten-Mitchell Ltd. und Mitchell-Vinten Corp. USA

die Mitchell GC, eine 35mm Studiokamera
das neue VintenFirmengebäude
in den Tanks wohnten mehrere Kameras
Einblick in die einzelnen Kammern

Ende der fünfziger Jahre begann die enge Zusammen- arbeit mit der amerikanischen Firma Mitchell. Fast zufällig hatte sich dies ergeben, als Bill Hakes, Geschäftsführer bei Vinten, bei seinen regelmäßigen Besuchen in New York und Hollywood und bei den Konferenzen der NAB (National Association of Broadcasters) mit der Mitchell-Geschäftsführung ins Gespräch kam. Die Produkte der beiden Firmen auf dem Ge­biet der Studiotechnik und der Film- und TV-Produktion schienen sich ausgezeich­net zu ergänzen.

Das Resultat war »Vinten-Mitchell«, ein gemeinsames Tochterunternehmen der beiden Firmen, welches die Entwicklungs­und Designabteilungen, die Produktions­anlagen und die Marketing-Möglichkeiten in beiden Ländern für die Mitchell- und Vintenprodukte zugänglich machte. Für die europäische Seite des Marktes ein­schließlich Großbritannien und Teilen des Commonwealth hieß die Firma »Vinten-Mitchell«, für die USA war der Firmentitel »Mitchell-Vinten Corp.«.

Die geschäftliche Situation stellt sich al­so rundum recht positiv dar: Zusammen­arbeit auf internationaler Basis mit der Mitchell Corporation und der ständig wachsenden British Broadcasting Corporation, und dazu ein stetig steigender Export.

Die Produktion wuchs. Auch die Cricklewood Factory war zu eng geworden, und Vinten zog im Oktober 1964 nach Bury St. Edmunds in Suffolk in ein neuerrichtetes Fabrikgebäude.

1957 - Die berühmte "Vinten Pumpe" kommt raus

Im Jahr 1957 stellte die Firma Vinten ein völlig neues hydro- pneumatisches Stativ (Pedestal) mit einer enromen Trag­fähigkeit von bis zu 250 Kilo vor. Eine schwere Fernsehkamera konnte ca. 75cm federleicht rauf und runter bewegt werden und die perfekte Balance wurde durch Gasdruck und Hydraulik erzielt.

Inzwischen ist man von der hydraulischen Komponente ganz abgegangen und arbei­tet nur noch mit komprimiertem Stick­stoff. Gasvorratsbehälter unter hohem Druck dienen als Energie- speicher für den Balancekol­ben. Der Druck wird justiert, bis eine un­gefähre Balance erreicht ist, die Feinein­stellung erfolgt mittels Bleigewichten. Über Reduktionsventile wird der verdräng­te Stick- stoff beim Absenken der Kamera wieder in den Vorratsbehälter zurückge­drückt. Stickstoff reagiert nicht mit Metallen und ist daher ein für diesen Zweck ide­aler Energieträger.

Der Gasvorrat ist so bemessen, daß er über viele Jahre (wie man inzwischen weiß) seine Funk­tion erfüllt. Der Arbeitsdruck ist bei den ver­schiedenen Modellen zwischen 80 PSI (Pound per Quadratzoll) und 636 Pound - dies sind immerhin 44 bar. Der Grund da­für ist ganz einfach Platzersparnis. Bei höheren Drücken kommt man mit kleine­ren Vorratsbehältern aus.

Zwischendurch wurden auch Pedestals mit Federbalance- Systemen gebaut, und auch welche mit Seil-Zug gesteuertem Gewichtsaus­gleich. Aber die Federsyste­me waren schwer zu beherrschen und zu steuern und sie waren in der Bewegungsfreiheit pneumatischen Systemen deutlich unter­legen.

Die Mobilität der Pedestals ist durch ein Dreipunkt-Fahrgestell gewährleistet. Über eine Kettensteuerung werden drei Räder­paare gelenkt, und das Pedestal kann in jede beliebige Richtung manövriert wer­den; es können aber auch zwei Räder fest­gestellt werden, und das dritte Radpaar funktioniert dann wie ein einfaches Lenk­rad.
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Ein Kran wird vorgestellt - der "Crab Crane"

Der Vinten Falcone Kran
Der Vinten Dolphin Kran
Leichterr Vinten Kamera Dollywagen
Der Vinten Merkin Kran
Der Vinten Peregrine Kran
Das Vinten Fulmar Stativ

Anfang der sechziger Jahre wurde der er­ste vollmotorisierte "Crab Crane" (engl. to crab - wie eine Krabbe seitlich laufen) vorgestellt, der von einer Zweimann-Crew bedient werden konnte - der "Heron Crane"!

Daraus wurde der Mark II und Mark III wei­terentwickelt, beide mit einer ingeniösen Art des Antriebs. Mittels einer geblimpten Elektromotor-Pumpeneinheit wird ein pneumatischer Druck aufgebaut, der wie­derum eine Hydraulik betreibt, die den Jibarm heben oder senken kann und auch über Hydraulikmotoren die diagonal ge­setzten Antriebsräder des Krans aktiviert. Weil der Kameramann für die auch da­mals schon häufiger verwendeten Zoom-Objektive beide Hände brauchte, wurde der Mark III mit Steuerpedalen für die Ka­merahöhe und das Schwenken ausgerü­stet.  

Nach dem Vinten Mark IM war der nächste Schritt dann ein Kran, auf dem nur noch die Kamera durch die Lüfte schwebte oder über den Boden kroch - fernbedient vom Kameramann, der das Ganze über ein hydraulisches System und einen Monitor steuern und dabei am Fuße des Krans bequem sitzen konnte. Dieser »Peregrine« wurde 1966 bei BBC eingeführt und war für seine Zeit schon eine techni­sche Meisterleistung. Auf einem Chassis von sechs Rädern konnte der Peregrine in jeder Richtung fahren. Auf dem Chassis befand sich ein Drehkranz, der es ermög­lichte, den ganzen Kran um volle 360 Grad zu schwenken.

Die Fahrtgeschwindigkeit betrug bis zu 6 km/h und in sechs Sekun­den konnte eine ganze Umdrehung ausge­führt werden. Der Kran trug 70 Kilogramm und konnte eine Kamera von ca. 40cm über dem Boden bis zu vier Meter hochheben, Außerdem war es möglich, die Kamera bis zu 330 Grad rotieren zu lassen und bis zu 65 Grad aus der Hori­zontalen zu schwenken. Alles, wie ge­sagt, ferngesteuert von einem Dual-Kontrollsystem mit zwei Bedienern. Zwei 8"-Monitore zeigten dem Kameramann exakt, was die Kamera aufs Bild bekam.

Anfang der 70er Jahre

Die frühen siebziger Jahre, mit Ölkrise und hohen Inflationsraten, waren auch bei Vinten zu spüren. Die Aufträge gingen zu­rück, die Produktion wurde eingeschränkt. Bei Vinten mußte man zwar nicht, wie damals 1920, sein Brot mit branchenfremden Lohnaufträgen verdienen, aber immerhin mußten von der auf 380 Mitarbeiter angewachsenen Be­legschaft 80 Kollegen entlassen werden.

Die Firma Vinten hatte ja stets ein sehr breites Ferti­gungsprogramm, obwohl die Produktion der eigenen Kinokamera bereits 1955 eingestellt worden war. Da waren immer noch die Entwicklungs- und Kopiermaschinen, ei­ne 16mm Video Recording Camera, die speziell entwickelt worden war, um ein Vi­deobild auf Film zu übertragen, und Ka­merakräne, Pedestals, Schwenkköpfe und Stative der verschiedenen Größen.

1975 - Lob und Ehre und ein Ausblick

1975 wurde Vinten von der »Guild of Television Cameramen« deren Preis für die Entwicklung des Fulmar-Pedestals zuge­sprochen. Die Öko-Krise Anfang der siebziger Jahre ging zu Ende, die Wirtschaft kam wieder etwas in Schwung, und auch für Vinten schien die Flaute zu enden.

Das neue Fulmar erwies sich als Erfolg. Die hohe Lade­kapazität - bis zu 158 kg - konnte durch ein präzises pneumatisches System bis aufs Gramm ausbalanciert werden. Auch hier wurde und wird Stickstoff unter hohem Druck als Energieträger verwen­det.

Trotz harter Konkurrenz von amerika­nischen Firmen gelang es Vinten, das neue Pedestal in den amerikanischen TV-Markt zu bringen. 70 Prozent des weltwei­ten Bedarfs an Television- Kamera-Mountings werden von Vinten gedeckt. Andere Quellen sprechen euphorisch von 90% und einer nahezu marktbeherrschenden Stellung. Die BBC ar­beitet sowieso ausschließlich mit Vinten-Produkten, und dies scheint für den Rest der Welt eine großartige Empfehlung zu sein.

Wir schreiben jetzt 2008

Inzwischen sind alle Vintens aus der Geschäftsleitung ausgeschieden und jüngere Gesichter aus der Mannschaft haben das Sagen. Nach wie vor hatte die Firma Vinten eine glückliche Hand auch bei der Aquisition und Übernahme der Firmen wie Gitzo (Paris) und Manfrotto (Florenz). Man darf es fast nicht laut sagen, jetzt sind die Vintens im Broadcastbereich wie auch im Profibereich Weltmarktführer und zwar überall.

Der letzte der Vintens, der jüngste Sohn Bill Vinten, gab 1992 mit 72 Jahren den Chefsessel frei. Es war eine gute Entscheidung. Manche weisshaarigen Männer klammern sich mit aller Gewalt an vermeintliche Chefsessel wie der alte Max Grundig und auch ein paar 80jährige im ehemaligen inzwischen (in 2010) aufgelösten Wiesbadener Fernsehfundus.

Der gesamte Geräte-(Requisiten-) Bestand ist an die Stadt Wiesbaden übergeben worden und seitdem irgendwo "vergraben". Gesehen hat man von den tollen Exponaten nichts mehr. (Stand Juni 2018). Und ausleihen oder gar besichtigen ist auch nicht mehr möglich.
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Zum Glück sind seit etwa 2008 fast alle ausgesonderten nicht mehr gebrauchten Requisiten bei uns hier in Wiesbaden-Bierstadt gelandet und stehen den Filmgesellschaften zur Verfügung.
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