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Erinnerungen von Manfred Hemmerling (2002) Kapitel 1 - 18

überarbeitet von Gert Redlich im Nov. 2015 - Bei meinem Besuch bei den Pensionären von Radio Bremen im Sept. 2015 legte Nick Kröger dieses Buch auf den Tisch, weil Herr Hemmerling an dem Zeitzeugengespräch leider nicht mehr teilnehmen konnte. Manfred Hemmerling ist wenige Tage vorher am 19. Sept. 2015 im Krankenhaus verstorben. Nach dem groben Durchlesen noch im Hotel in Bremen stand der Entschluß fest, die 260 Seiten der Erinnerungen an 40 Jahre im Rundfunk (bei Radio Bremen) einem erheblich breiteren Publikum vorzulegen.
Um das Ganze lesefreundlich zu gestalten, sind von mir weitere Überschriften zur Trennung von Lese-Blöcken eingefügt worden und natürlich auch Kommentare und Verlinkungen und weitere Bilder, die den jüngeren Lesern einiges besser veranschaulichen.
Das Inhaltsverzeichnis ist auf eine eigene Seite ausgelagert.

Kapitel 4
Der Film im Fernsehen

Eigentlich ein düsteres Kapitel, wenn man an die unbefriedigende Bildqualität manch einer Filmproduktion aus den Anfangsjahren des Fernsehens zurückdenkt. Die Wiedergabe feiner Grauabstufungen in hellen, aber insbesondere in dunklen Bildbereichen setzte Fachwissen der Fernsehtechnik voraus.

Dieses Wissen fehlte oftmals, oder wurde gar ignoriert. Selbst bei Aufnahmen mit der elektronischen Kamera im Studio, bei denen das Bild sofort beurteilt werden konnte, kam es nicht selten zu einem Disput, z.B. wenn die Dekoration, wie von einem Bühnenbildner mit Spielfilmoder Theatererfahrung angeordnet, weiß gestrichen war, statt hellgrau, wie es für das Fernsehsystem erforderlich gewesen wäre.

Dieses Thema ist ziemlich komplex und hat damals zu vielen wissenschaftlichen Arbeiten und Fachvorträgen geführt und ist bis heute von elementarer Bedeutung bei Schulungsmaßnahmen.
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Das Thema muß man etwas genauer erklären

Der Themenbereich "Filmproduktion im Fernsehen" ist deshalb vielschichtig, weil vor dreißig oder noch mehr Jahren (Anmerkung: 1970 und 1980 ist gemeint) einige Umstände bestanden, die zum Verständnis der nachfolgenden Zeilen vorab etwas näher erläutert werden müssen. Da ist zum einen das Fernsehsystem selbst, dann das Filmmaterial und dessen spezielle Behandlung für die Wiedergabe im Fernsehen, und zum anderen die schwierige Konstellation der ersten Jahre, als Fachleute aus der Theater- und Spielfilmbranche mit langjährigen Erfahrungen zum jungen Fernsehen kamen und sich erst an völlig neue (technische) Gegebenheiten gewöhnen mußten. Das begann schon mit der unterschiedlichen Terminologie, der Fachbegriffe für Kontrast und Helligkeit und setzte sich über zahllose unterschiedliche Definitionen technischer Werte fort.

Das frühe Fernsehen war absolut unzulänglich

Zunächst die Unzulänglichkeiten des Fernsehsystems. Obgleich auf technischem Gebiet ein erheblicher Fortschritt erzielt worden ist, das Fernseh-System selbst ist nach wie vor das Nadelöhr der Bildübertragung. Es wird vielleicht den geneigten Leser überraschen, daß sich bis heute, im 21 Jahrhundert, daran nur wenig geändert hat. So kann die Qualität, der mögliche Kontrastumfang und die Schärfe (Auflösung), die der optische 35mm Film bietet, bislang noch von keinem Fernsehsystem dieser Welt übertragen werden! (Anmerkung : Wir sind noch im Jahr 2000.) Jeder Fernsehzuschauer, der diese Zeilen liest, wird mir kaum Glauben schenken, da er doch gewohnt ist, auf seinem Bildschirm alles in bester Qualität sehen zu können, darunter auch exzellent hergestellte Filme. Woran liegt das?

Man hat keine Vergleichsmöglichkeit!

Zum einen stellt sich ein Gewöhnungsprozeß an die dargebotene Bildqualität ein und zusätzlich wird man in der Regel meist vom Inhalt abgelenkt. Würde das Filmbild, parallel zum Fernsehbild, auf der Leinwand gezeigt, dann werden die Qualitätsunterschiede sofort deutlich sichtbar. Nun geht es mir lediglich um den Versuch, die technischen Schwierigkeiten der Filmwiedergabe anschaulich zu machen und dabei die damaligen Verhältnisse aufzuzeigen.

Machen wir einen Vergleich . . .

Der Vergleich der optischen Projektion mit der komplizierten Übertragungskette des Fernsehens macht das Problem sehr anschaulich.

Bei der Projektion im Kino wird der Film mit einer sehr starken Lichtquelle (z.B. einer 2 Kilowatt Xenonlampe) durchleuchtet und auf die Leinwand projiziert. Ist die Filmkopie von guter Qualität, das Kino abgedunkelt und die Leinwand richtig weiß (Anmerkung : und die Lampe bzw. der Xenon-Kolben richtig eingestellt), dann sieht man Bilder mit großem Kontrastumfang und, trotz erheblicher Vergrößerung, in ausgezeichneter Schärfe.

Viele (zu viele) Komponenten beim Fernsehen

Dagegen ist die Wiedergabe des Films im Fernsehen mit diversen Problemen verbunden. So mußte eine Filmkopie speziell für das Fernsehen angefertigt werden, der Kontrast erheblich geringer sein als für die Kinoprojektion. Betrachten wir die lange Übertragungskette im Fernsehen: beginnend mit dem Filmabtaster, dann folgen, nur kurz aufgezählt, diverse Verstärker, Übertragungsleitungen, Sender (oder Satellit) und schließlich noch der Heimempfanger.

Gegenüber einer klassisch optischen Wiedergabe im Kino durchläuft das Filmbild bei der Fernsehübertragung also eine unzählige Reihe von elektronischen Geräten, bevor es endlich auf dem Bildschirm sichtbar wird. Und das ist noch längst nicht alles!

Es war das (schwarz-weiße) anloge Fernsehen

Denn damals wurden die Signale vom Ursprung bis zum Bildschirm des Heimfernsehers analog übertragen und an vielen Stellen deshalb überwacht und ggf. korrigiert. Das implizierte auf dem langen Weg noch zusätzliche Fehlerquellen. Bereits geringste Änderungen der Schwarzwerte verfälschten sämtliche dunklen Bildteile. Eine Abweichung von nur zwei Prozent führt bereits zu deutlich sichtbaren Veränderungen, in hellen Bildstellen fallen sie dagegen weniger auf. Erläuterungen über logarithmische Kennlinien und das physiologische Empfinden von Helligkeit würden hier zu weit führen.

Das Verstehen jener Schwierigkeiten fürht zum kopfschütteln

Bereits an dieser Stelle wird manch ein Leser vielleicht nur noch den Kopf schütteln und an bekannte Sprüche über "Theorie und Praxis" denken. Dabei geht es mir auch nicht darum, die übliche gewohnte Bildqualität des Fernsehens in Frage zu stellen, sondern vielmehr um das Verstehen jener Schwierigkeiten, die bei der Wiedergabe von Filmmaterial im Fernsehen, insbesondere in den ersten Jahren, bestanden haben.

Eigentlich ist oder wäre es doch ganz einfach

Und nochmals dürfte die Frage aufkommen, was ist denn daran so schwierig? Man nehme einen Filmstreifen, projiziere ihn auf eine Leinwand und nehme das Bild mit einer Fernsehkamera auf und - schon habe ich ein Fernsehbild.

Der "normale" Filmabtaster

Tatsächlich waren die ersten Abtaster nach diesem Prinzip gebaut. Projektor und Kamera waren über ein entsprechendes Objektiv fest miteinander verbunden. Nur waren die verwendeten Aufnahmeröhren in diesen Kameras hinsichtlich der Schärfe und Trägheit (rasche Bewegungen im Bild führten zum Schmieren) nicht besonders geeignet, so daß schon Anfang der 50er Jahre ein anderes Verfahren aufkam: der sogenannte flying-spot-scanner oder Lichtpunktabtaster.

Der Lichtpunktabtaster

Anstelle einer üblichen Lichtquelle, z.B. einer Halogenlampe, mußte eine extrem helle Bildröhre den Film durchleuchten. Die dadurch entstehenden Fernsehsignale wurden auf eine Fotozelle projiziert und weiter aufbereitet. Da eine Fotozelle Signale ohne merkliche Trägheit übertragen kann, war somit das Problem "Schmieren" bei der Bildwandlung gelöst, aber nicht die Wiedergabe dunkler Bildteile.

Wie eine Fotozelle funktioniert

Jede Fotozelle hat einen sogenannten Rauschanteil im Schwarzen und konnte nur eine Filmdichte bis maximal Dichte 2! übertragen. Daher durfte der dunkelste Bildanteil höchsten 1,8-1,9 Dichtewerte betragen; er lag in der Regel aber darüber und die Reproduktion von Schattenpartien war somit ausgeschlossen. Solche Bildstellen waren ohne jede Durchzeichnung, sie blieben schwarz! Heutige Diascanner sind zwar deutlich besser, aber eine Filmdichte bis 4 abzutasten, wie für Farbdias erforderlich, können nur professionelle Scanner. (Die Werte für den Kontrastumfang werden logarithmisch definiert: eine Dichte von 2 bedeutet Hundert, der Wert 4 Zehntausend.)

Eine komplexe Präzisionsmechanik

Der komplizierte Transport des Films, der absolut synchron mit der vertikalen Abtastung erfolgen mußte, soll hier nicht weiter behandelt werden; er ist für den folgenden Abschnitt über die Lichtpunktabtastung nebensächlich. Und bevor ich einen Exkurs in die Physik der Abtastung und des Verfahrens unternehme, dazu nur soviel: man stelle sich einmal vor, ein Kinofilm wird anstelle einer Xenonlampe als Lichtquelle von einer extrem hellen Bildröhre durchleuchtet.

Kinofilm Kopien speziell fürs Fernsehen

Natürlich hinkt der Vergleich, schon wegen der unterschiedlichen Bildgröße zur Projektion. Aber nur deshalb wurden damals Kopien in sogenannter Fernsehgradation angefertigt, die eine akzeptable Wiedergabe im Fernsehen ermöglichte, auf jeder Leinwand allerdings ein ziemlich flaues Bild gezeigt hätten.

Anfang der 1970er Jahre wurde es besser

Erst Anfang der 1970er Jahre ließen leistungsfähigere Röhren der Farbfilmabtaster eine deutlich bessere Wiedergabe des Filmmaterials zu. Und da die Entwicklung auf diesem Gebiet ständig fortschritt, kamen einige Jahre später die ersten CCD-Abtaster mit Halogenlampe zum Einsatz. Damit können auch normale Spielfilmkopien einigermaßen zufriedenstellend wiedergegeben werden. Dennoch, nach wie vor ist der geringe Kontrastumfang des Fernsehens das Nadelöhr bei der Bildübertragung. Soweit zur Technik selbst.

Radio Bremen produziert jetzt selbst

Nach langer Vorrede nun endlich zur Praxis. Mit Beginn eigener Produktionen im Fernsehen waren Fachkräfte vom Theater und der Filmindustrie für diese Aufgaben sehr gefragt, da es bis dahin keine eigene spezifische Ausbildung für das neue Metier gegeben hatte. Anfang der 1960er Jahre, als die Filmbranche infolge des Fernsehens nicht mehr expandierte, kamen z.B. von der einstigen "Göttinger Filmatelier- und Aufbau" Fachleute, wie Anna Koudelka und Ingeburg Forth, als erfahrene Film-Cutterinnen (Schnittmeisterinnen), Beleuchter, Requisiteur usw. zu Radio Bremen.

Damals war der Kameramann noch "wer"

Zum Kreis kundiger "Filmhasen" zählten auch anerkannte Filmkameramänner, darunter einige, die bereits einen Namen als "Filmpreisträger" erworben hatten. Die jeweiligen Leiter der Bereiche Fernsehspiel oder der Dokumentation legten natürlich großen Wert auf die Mitarbeit eines erfahrenen, gestaltenden Kameramannes.

Die Hierarchie der Funktion - auch bei uns

Nun gab es beim Film in dieser Funktion eine Hierarchie, die traditionell auf klare Unterscheidungen, - wer ist was - größten Wert legte. Dieses Verhalten erleichterte nicht gerade die notwendigen fachlichen Diskussionen, die zudem durch einen unterschiedlichen Gebrauch von Definitionen erschwert waren. Das war bei einer Fehlersuche oft sehr hinderlich. Deshalb mußte erst einmal das gegenseitige Verständnis wachsen, bevor alte Bräuche, hier ein bekannter Kameramann, dort nur ein Techniker, abgelegt wurden und man zueinander fand. Das dauerte einige Zeit, um nicht zu sagen Jahre.

Erste Fernsehfilm- Pflichtenhefte vom IRT

In der Arbeitskommission Fernsehfilm, in der ich war, wurde in dieser Zeit von ARD-Kollegen oft über gleichartige Schwierigkeiten berichtet, wenn es bei eigenen Filmaufnahmen darum ging, Kameraleuten und Kopierwerken die engen Grenzen der Bildübertragung verständlich zu machen. Daher wurden von Filmexperten und dem IRT sogenannte Pflichtenhefte erarbeitet und die wichtigsten Parameter und verbindliche Definitionen festgelegt, die allen an einer Produktion Beteiligten, wie Kamera, Licht, Dekoration, Kopierwerk und Technik, die tägliche Arbeit erleichtern sollten.

Theorie und Praxis divergieren

Aber die Praxis sah, zumindest am Anfang, völlig anders aus. Bildkontrast, Szenenkontrast und Helligkeit waren für viele ein und dasselbe und noch so manch anderes. Auch der aus den Spielfilmzeiten gewohnte und gewachsene Einfluß, der persönliche Umgang angesehener Kameramänner mit den Kopierwerken, hatte seine ganz persönlichen Traditionen. Denn jedes Kopierwerk war darauf angewiesen, daß ihre "Lichtbestimmer" keine Kunden vergraulten und schon gar nicht eine Unter- oder Überbelichtung unterstellten, sondern es oft nur hieß: die "Klappe" ist etwas schwer oder leicht. Also mußte auch im Sprachgebrauch eine sachliche Basis gefunden werden. Aber so etwas dauert natürlich, und im Alltag wurden die alten Gepflogenheiten auch nicht so rasch abgelegt.

Ein eigenes Kopierwerk bei Radio Bremen

Durch den Betrieb eines eigenen Kopierwerkes, in dem wir unsere 16mm Filme selbst entwickeln konnten, gab es derartige Schwierigkeiten schon bald nicht mehr. Aber bei eigenen 35mm-Filmproduktionen. Woran lag das?

Erbschaften aus den Zeiten des Kinofilms

An jener Sichtweise, die aus den Zeiten des Kinofilms stammte! Das begann schon am Schneidetisch. Hier war man den hohen Kontrast des Spielfilms gewohnt und beklagte dagegen das eher flaue Bild des selbst entwickelten Umkehrfilms. Aber am Schneidetisch (obwohl an dieser Stelle eine Bildbeurteilung zur Fernsehwiedergabe fast nicht möglich ist), wurden die gedrehten "Klappen" ausgemustert, statt über einen Filmabtaster. Hinzu kam, daß von den Kopierwerken Schnittkopien nicht in Fernsehgradation oder nur gegen einen Aufpreis angefertigt wurden. Denn die geringen Mengen, die das Fernsehen damals benötigte, im Gegensatz zur Filmindustrie, erforderten auch eine veränderte Rezeptur der Entwicklung. Auch dieser Umstand und der damit verbundene Zeitaufwand (diverse Chemiebäder mußten dazu erneuert werden) ist für einen Laien kaum verständlich zu beschreiben.

Die Summe der Schwierigkeiten beim Film fürs Fernsehen

Am Schluß kamen dann oft mehrere Schwierigkeiten zusammen. Üblicherweise herrscht bei allen Produktionen ein gewisser Herstellungsdruck, besonders bei der sogenannten Endfertigung. Meistens wurde bei der Abnahme eines Films noch das eine oder andere beanstandet, meist etwas am Titel, was natürlich eine neue Kopie zur Folge hatte. Aus Zeitnot - und siehe oben - konnte dann nur eine Kopie mit einem üblichen Kontrastumfang angefertigt werden, die für die Fernsehwiedergabe nicht geeignet war, aber trotzdem gesendet werden mußte.

Ein paar schlimme Filmproduktion

So gab es bei der Sendung der Filmproduktion "Septembergewitter", bei der viele Szenen eine Wiedergabe zahlreicher Details der Schattenpartien voraussetzte, genau das Problem, daß diese zauberhafte Lichtstimmung völlig verlorenging und alles in einem indifferenten Schwarz verschwand. Ich erinnere mich noch an diverse Diskussionen und kaum hilfreiche Stellungnahmen. Das war damals kein Einzelfall!

Beim Fernsehen war es eben nicht wie im Kino

Und eben aus diesem Grund hat sich manche ARD-Anstalt für ein eigenes 35mm Filmkopierwerk entschieden. Damit konnte der Entwicklungsprozeß genau auf die Anforderungen der damaligen Filmabtastung angeglichen werden; hinzu kamen die kurzen Wege, so daß zügig reagiert werden konnte und eine rasche, eindeutige Verständigung zwischen allen am Prozeß Beteiligten möglich wurde.

Inzwischen sind auch die Filmabtaster deutlich verbessert worden, so daß es sich für wertvolles Archivmaterial lohnt, eine neue Umspielung zu veranlassen, wie es für diverse Filmproduktion, u.a. "Septembergewitter", mit sehr gutem Ergebnis indessen geschehen ist.

Da hätte ich beinahe den Ton vergessen . . .

Da der bisherige Abschnitt die Bildfassung, von der Aufnahme über die Bearbeitung bis zur Sendung, behandelte, hier noch einige Anmerkungen zum Ton. Auch dort mußten die Gesetze der übertragbaren Dynamik usw. streng eingehalten werden. Die jahrelangen Erfahrungen des Hörfunks waren die besten Voraussetzungen für versierte Toningenieure. Hatten sie zudem Kenntnis von der Bildgestaltung, dann waren sie bei Filmproduktionen unentbehrlich und schufen durch ihr Können den gewünschten Erfolg der jeweiligen Tonfassung.

Der Ton wurde getrennt aufgenommen

Üblicherweise wurde am Drehort der Originalton in einem Filmtonwagen (Fito) aufgenommen, der einen sogenannten Abhörlautsprecher hatte, so daß ein "geschultes Ohr" bereits bei der Aufnahme hören konnte, ob die gedrehte Klappe brauchbar war. Bei Aufnahmen mit einem tragbaren Gerät (z.B. Nagra), mußten die Aufnahmen über Kopfhörer abgehört werden, was die Beurteilung erschwerte und kostengünstiger schien, aber meist eine längere Nachbearbeitung zur Folge hatte. Beim Umspielen der draußen aufgenommenen Bänder im Tonumschneideraum auf Magnetfilm ließen sich noch einige Korrekturen (Pegel, Filter, usw.) durchführen.

Die Abnahme erfolgte im Studio

Eine Qualitätskontrolle am Schneidetisch war aber im jeden Fall ausgeschlossen. Die endgültige Gestaltung der Ton-Sendefassung erfolgte in der Regel in einem entsprechenden Studio, mit Projektor und im Beisein des Regisseurs. Da für die Bedienung des Filmprojektors stets ein zusätzlicher Mitarbeiter nötig war, wurde von der Industrie (z.B. Fa. Keller) ein spezielles Laufwerk entwickelt, auf dem die diversen Töne (Magnetfilme) synchron mit dem Bildfilm (meist die Schnittkopie) rasch vor- und zurück gefahren werden konnten. Aber auch diese Technik gehört schon längst der Vergangenheit an. Heute wird diese Arbeit mittels Computer (z.B. AVID) mit fast beliebig vielen Tonkanälen, aber mit einer Bildqualität, die wegen der hohen Datenreduktion noch ungenügend ist, über Festplatten abgewickelt.

Etwa 1995 kam das bittere Ende des 16mm Films

Dieses Kapitel soll abschließend die Historie unserer 16mm Filmentwicklung bis zum eigenen Farbkopierwerk behandeln, das Ende 1995 geschlossen wurde.

Das vermurkste "Werderspiel" in der ARD-Sportschau

Im Hörfunkgebäude unterhalb des Kasinos gab es einige Räumlichkeiten, in denen die erste Filmentwicklung mit Vorratsbehältern (Chemie) und die Filmmeßtechnik beengt untergebracht waren.

Wegen meiner Mitarbeit im Arbeitskreis Fernsehfilm war es naheliegend, mir die Verantwortung für die Filmentwicklung zu übertragen, nachdem in der ARD-Sportschau ein "Werderspiel" gesendet worden war, das unser damaliger Intendant Heinz Kernek mit folgenden Worten kommentierte: "Man kann Hausfrauen und Journalisten verärgern, aber keine Fußballfreunde!"

Was war passiert?

Der Beitrag war unter den seinerzeit im Weserstadion üblichen, unzureichenden Flutlichtbedingungen entstanden. Hinzu kam noch, daß typisches Bremer Wetter an diesem naßgrauen Abend herrschte und die Spieler nur schemenhaft, der Ball gelegentlich, meist kaum, auszumachen war. Es sah wahrlich grauslich aus.

Und damit war die "Filmentwicklung" überfordert

Der arme Mann an der Filmentwicklung mußte sich zudem mit einer sehr instabilen Maschine abplagen, die ursprünglich für die "Tour de Francs" (transportabel) gebaut worden war und eine "forcierte" Entwicklung (durch Temperaturanhebung konnte die Filmempfindlichkeit gesteigert werden), wie sie für diesen Beitrag erforderlich gewesen wäre, kaum zu leisten vermochte. Mensch, Maschine, aber auch das Filmmaterial waren damit einfach überfordert worden.

Nun hatte es in der Vergangenheit schon öfter Kritik wegen fehlender Konstanz bei der Filmentwicklung gegeben, die sicher nicht nur dort, sondern auch in der Belichtung des Filmmaterials zu suchen war. Die pauschalen Vorwürfe zur Entwicklung konnten durch Messungen nicht widerlegt werden.

Neu ist die "Sensitometrie" des Fernsehfilms

Also führten wir (Jürgen Howaldt, er war gerade als MAZ-Techniker eingestellt worden, und ich, obwohl wir beide keine Filmexperten waren, dafür aber gründliches Messen gewohnt) zunächst die Sensitometrie ein, die ab sofort zur täglichen Pflichtübung für den Entwickler wurde.

Es schien zu funktionieren ....

Wie groß war die Überraschung über die damit zu erzielende Konstanz in den folgenden Tagen, aber noch viel größer war unser Erstaunen über die bald wieder auftretenden Schwankungen. Die vorab zu entwickelnden Testfilme gaben keinerlei Anlaß zur Beanstandung. Des Rätsels Lösung bestand darin, daß unser Filmentwickler sämtliche Proben "in einem Rutsch" entwickelt hatte und täglich davon einen Teststreifen pfiffig an das entwickelte Material geheftet hatte. Er konnte (oder wollte) die Notwendigkeit dieser Maßnahme - vorab eine Probe zu entwickeln - einfach nicht einsehen! Änderungen seiner Einstellung und an der Filmtrocknung brachten dann doch die erwünschte Stabilität und das lang erhoffte Vertrauen. Mit der Inbetriebnahme (1964/65) einer neuen Entwicklungsmaschine wurde es aber erst richtig professionell.

Filmentwicklung mit 120m/Stunde

Wie dargelegt, war die erste Entwicklungsmaschine ziemlich instabil und hatte eine Leistung von nur ca. 120m Film pro Stunde. Diese geringe Leistung war für die Entwicklung von Aufnahmen von Fußballspielen unzureichend, denn meist traf das Material erst nach Spielschluß ein (und wurde deshalb nach der zweiten Halbzeit manchmal mit dem Motorrad gebracht). Das führte oft zu einem richtigen Nervenkitzel, da die Schnittarbeit und die Vertonung unter erheblichem Zeitdruck bis zur Sendung stand.

Die neue Maschine kann 500m/Stunde

Daher wurde 1964 eine Maschine von der Firma ARRI / München in Betrieb genommen, deren Leistung immerhin schon bei ca. 500m pro Stunde lag und eine erheblich zuverlässigere Verarbeitungskonstanz bot. Die Unterbringung der Maschine und größeren Vorratsbehälter in diesen engen Räumen war nur durch die Einbeziehung des Korridors möglich geworden. Diese beschränkten Verhältnisse bestanden bis zur Fertigstellung des Filmgebäudes, das etwa zwei Jahre nach der Inbetriebnahme 1967 des Fernsehkomplexes in Osterholz errichtet wurde.

Und dann kam die Farbe

Damit wuchsen jedoch auch die Anforderungen, denn schon bald wurde nicht nur Filmmaterial für die Tagesberichte entwickelt, sondern auch für Dokumentationen. Als damit begonnen wurde, die Berichte in Farbe aufzunehmen, war der Bau und eigene Betrieb (1970/71) eines neuen 16mm Farbfilm-Kopierwerks für Radio Bremen wirtschaftlicher als eine Fremdvergabe. Denn die Forderung, jederzeit aktuell reagieren zu können, hatte höchste Priorität. Bis dahin mußten alle Farbaufnahmen zur Entwicklung nach Hamburg gebracht werden, bevor sie geschnitten und schließlich gesendet werden konnten. Das Bremer Landesstudio des ZDF profitierte ebenfalls von unserem Kopierwerk und konnte anschließend bei uns die fertigen Beiträge gleich zum ZDF nach Mainz überspielen.

1971-1974 - neue Kollegen für die Farbfilmentwicklung

Bernd Brettschneider, der maßgeblich an der Konzeption des Kopierwerks beteiligt war und Marion Sunderhoff, die als versierte ausgebildete Filmendfertigerin von der "Mosaik-Film" gewonnen werden konnte, waren Fachleute auf diesem Gebiet! Michael Ganz übernahm 1974 die Leitung des Kopierwerks. Er hatte bereits während der Bauphase, als Mitarbeiter der Firma Kinax, in einer mobilen Farbentwicklung für uns die ersten aktuellen Beiträge entwickelt. Ein ausgezeichneter Praktiker und Filmfachmann.

Rückblick ins Jahr 1965

Bereits im September 1965 war nach wochenlangen Dreharbeiten, unsere erste Farbproduktion "Tanz im Park" entstanden, mit zauberhaften Aufnahmen aus dem blühenden Rhododendronpark in Bremen. Zdenek Podskalsky führte Regie und Klaus von Rautenfeld die Kamera. Das Projekt war aber nicht unumstritten. Da auch die 35mm Filmbearbeitung, außer Schnitt, fremd vergeben werden mußte und sich somit unserer unmittelbaren Beeinflussung entzog, gab es ebenfalls Schwierigkeiten.

Diese Erfahrung, aber besonders das Problem, daß Farbfilmaufnahmen bis dahin nur außer Haus entwickelt werden konnten, und die verständliche Forderung, aktuell reagieren zu können, hat den Weg für den Betrieb einer eigenen Farbfilmentwicklung mit bereitet. Selbstverständlich wurde das Projekt ausgeschrieben, aber da wir keine Gewinne erzielen mußten, wie es bei Firmen unerläßlich ist, konnten wir im April 1971 unser neu erbautes Kopierwerk in Eigenregie betreiben.

Der Vorteil der "kurzen Wege"

Die eindeutigen Vorteile einer eigenen Farbfilmentwicklung waren trotz gewisser Anfangsschwierigkeiten in der Chemie und auch bei den Aufnahme-Materialien letztlich doch überzeugend. Gerade der Vorteil der "kurzen Wege", das entwickelte Filmmaterial nach der Aufnahme gleich auf einem Abtaster kontrollieren zu können, wirkte sich für alle vorteilhaft aus. Und es dauerte nicht lange, da mußte eine weitere Entwicklungsmaschine beschafft werden, um zwei unterschiedliche Prozesse (Kodak und Agfa-Gevaert) bearbeiten zu können. Da die Entwicklung von Aufnahme-und Kopierfilm eine völlig getrennte Bearbeitung erforderte.

Die Kombination von Farb-FAZ und Kopierwerk

Zunächst nur für die aktuelle Berichterstattung gedacht, gewann das Kopierwerk (insbesondere nach der Umstellung 1985 auf die Entwicklung von Negativmaterial), zusätzlich an Akzeptanz für andere Produktionsformen, besonders fürs Fernsehspiel. Auch der Betrieb einer selbstgebauten Farb-FAZ, deren Einjustierung und Konstanz von einer engen Abstimmung mit der Entwicklung abhing, brachte bemerkenswert gute Ergebnisse.

Ein Ausflug in die Farbmetrik

Das Thema FAZ ist ausführlich unter "Aufzeichnungstechnik" beschrieben. An dieser Stelle soll aber vorab kurz auf die Probleme der Farbmetrik von damaligen Bildröhren eingegangen werden. Die fürs Fernsehen empfohlenen Bildröhren (EBU-Phosphor) waren für eine Filmaufzeichnung wegen einer mangelhaften Rotwiedergabe völlig unbrauchbar. Das Rotspektrum dieser Röhren ergab auf dem Film nur ein dunkles Braun, und entsprechend unansehnlich sah das ganze Bild aus. Versuche mit einer RCA-Röhre zeigten dagegen einen viel besseren Erfolg.

Qualitätsvergleich der FAZ mit der MAZ

Auch hier muß wieder der Pioniergeist von Wolfgang Stöver erwähnt werden, der mit Fachverstand und großer Präzision die Farbmetrik der RCA-Röhre auf die Kennlinien des Filmmaterials abgeglichen und damit sehr gute Ergebnisse dieser Art Filmaufzeichnung in Farbe erzielt hat. Es gab aber auch Kritik von Leuten, die einen (voreiligen) Qualitätsvergleich mit der MAZ anstellten und die offenbar gar nicht begriffen hatten, daß damit z.B. eine bessere Schnittfestlegung von MAZ-Aufnahmen (Loriot) oder eine Großprojektion auf der Leinwand (Synchronstudio) zur Nachvertonung möglich wurde. Das ZDF hat von unserer FAZ für die Archivierung der "Heute-Sendung" ebenfalls reichlich Gebrauch davon gemacht.

Sehr hinderlich - die unsachlichen Diskussionen

Das neue Nebeneinander von Farbfilm und Elektronik als Produktionsmittel wurde aber sehr bald von Anhängern und Gegnern beider Verfahren durch zunehmend unsachliche Diskussionen belastet. Dabei gerieten besonders die Standpunkte der Befürworter elektronischer Produktionen immer mehr in die Einseitigkeit, ohne den gesamten Bezugsrahmen zu beachten. Denn es ging doch nicht darum, ob auf Film oder Elektronik produziert werden konnte, sondern welche Themen sich dafür anboten. Selbst in wissenschaftlichen Aufsätzen jener Zeit waren diese Überlegungen eher nebensächlich und führten zu einem schon fast "bibliotheken- füllenden" Streitthema. (Anmerkung : sowohl in den RTIs wie auch in der FKT Zeitschrift)

Dumme Äußerungen noch über Jahre

Äußerungen wie "Badehaus mit giftiger Brühe" zu unserem neu erbauten Kopierwerk zeigten die tief sitzenden Emotionen, zu denen in den späteren Jahren noch ganz andere, subtilere Spielarten hinzukamen. Soviel nur: erst später (zwanzig Jahre danach), als der Schnitt mittels bandloser Speicher (AVID) eine filmähnliche und weitgehend sichere Bearbeitung zuließ, veränderte sich die Einstellung einiger Filmgegner, da nur noch das Aufnahmemedium "Film", aber eben kein Kopierwerk mehr benötigt wurde. Hartgesottene Gegner manipulierten sogar die Kosten, um dem Film endlich den Garaus zu machen!

Eine Feier zum 20jährigen Bestehen des Kopierwerkes

In diesem Zusammenhang greife ich auf ein Ereignis vor, das 1991 im Frühjahr stattfand und dem vier Jahre später das Ende des Kopierwerks folgte! Unsere hochmotivierte Kopierwerks-Crew beschloß, zum 20jährigen Bestehen eine Feier zu veranstalten. Für mich, wie auch für viele andere, war dieses Ansinnen jedoch recht ungewöhnlich.

Hatte sich da jemand geirrt ?

Denn unsere Filmentwicklung selbst war schon mehr als dreißig Jahre alt und außerdem: üblicherweise feiert man doch nur den 25. Jahrestag.

Aber: Marion Sunderhoff, die damalige Kopierwerkleiterin und Michael Ganz (inzwischen Leiter der Bildtechnik) waren der festen Meinung, daß es gerade der richtige Zeitpunkt sei, um die von vielen Fachleuten geschätzten Leistungen mit alten Geschäftsfreunden zu feiern. Und sie behielten recht, da vier Jahre später das Kopierwerk geschlossen wurde. Natürlich hatte die elektronische Aufnahmetechnik den 16mm Film als Informationsträger schon seit langem verdrängt, aber bei szenischen Produktionen, z.B. Fernsehspiel, war und ist der Film als Aufnahmeträger nach wie vor im Einsatz.

1995 - Das Ende des Film-Kopierwerks

Mit der Schließung des Kopierwerks Ende 1995 lag man im ARD-Trend. Als kleinste, dazu noch als "nehmende" Rundfunkanstalt, sich ein eigenes Kopierwerk zu leisten, war ziemlich schwer zu vertreten gewesen, zumal unsere Kritiker von erheblich größeren Aufwendungen im Personalbereich ausgingen, ohne sich vorab zu informieren.

Auch die Behörden "spielten" eine Rolle

Aber auch die behördlichen Auflagen, besonders bei den Chemieabwässern, wurden immer strenger und hätten voraussichtlich noch erhebliche Mittel beansprucht, zumal wir bei der Umsetzung von solchen Vorschriften stets mehr als notwendig getan haben.

So kam es zu einem Schnellschuß

Argumente zur Wirtschaftlichkeit des Kopierwerks gab es nicht oder nicht mehr ausreichend, um diesen Prozeß aufzuhalten. Leider gelang es mir nicht, das übereilte Verfahren (allgemein als "Schnellschuß" bezeichnet) in eine gemäßigtere Gangart überzuleiten. Denn auch die Motivation der Kopierwerksleute war inzwischen auf den Nullpunkt herabgesunken. Sie hatten ja schon jahrelang die bekannten Sprüche gehört und ertragen, die den Fortbestand des Kopierwerks in Frage stellten.

Das Kopierwerk lebte nicht mal 25 Jhre

Dieser Prozeß wurde auch von namhaften Filmregisseuren und Filmemachern kritisiert, die um die Qualität unseres Kopierwerks wußten, aber das hat den Beschluß nicht aufhalten können. Einige Anlagen hat der SWF von uns übernommen, der bis heute viele szenische Produktionen nach wie vor auf Film herstellt. Unser Kopierwerk wurde tatsächlich noch vor seinem 25. Jahrestag geschlossen! Tröstlich bleibt nur, daß die sechs davon betroffenen Damen und Herren an anderer Stelle im Hause einen guten Arbeitsplatz gefunden haben; auch unser einziger Chemielaborant, Herr Barre, der sich unterdessen in der Schwachstrom Werkstatt und ganz gut aufgehoben fühlt und erstaunlich rasch eingearbeitet hat.

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