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Günter Bartosch (1928 - 2013†) schrieb viel (sehr sehr viel) über und aus seine(r) Zeit beim ZDF in Eschborn und Mainz .....

Der ZDF Mitarbeiter Günter Bartosch war 30 Jahre beim ZDF - also von Anfang an dabei -, ebenso wie sein deutlich jüngerer Kollege Knapitsch. Angefangen hatte sie beide bereits vor 1963 in Eschborn, H. Knapitsch in der Technik, Günter Bartosch im Programmbereich Unterhaltung.

Und Günter Bartosch hatte neben seiner Arbeit und seinen Büchern so einiges aufgeschrieben, was er damals alles so erlebt hatte. In 2013 habe ich die ganzen Fernseh- und Arbeits-Unterlagen erhalten / geerbt und dazu die Erlaubnis, die (die Allgemeinheit interessierenden) Teile zu veröffentlichen.
Die Einstiegsseite zu den vielen Seiten beginnt hier.

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Vorbemerkung (aus 2020) zu diesem Artikel :

Der Autor Günter Bartosch war sehr belesen und politisch interessiert. "Seine" Rateschows wurden zwar von fähigen und beliebten Moderatoren wie Rosenthal und WimThoelke und Lou van Burg moderiert, doch ein Teil der Fragen und natürlich der richtigen Antworten kamen aus der Feder von Günter Bartosch. Er und seine beiden Kollegen Rolf Merz und Gerhard Hagen entwickelten die Themen und Sendung an sich. Hier also ein etwas weiter ab vom Fernsehen und Radio thematisierter Artikel.

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PREUSSEN, DAS REICH UND DER BUND

Anmerkungen zu deutscher Gegenwart und Vergangenheit von Günter Bartosch im Januar 2001

"Preußenjahr 2001 - 300 Jahre Preußen"

Es ist ja erfreulich, wenn Deutsche sich mit der Geschichte ihrer Heimat "befassen. Bisher haben sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts diesem Thema nur Desinteresse entgegengebracht.

Wenn nun das "Preußenjahr" eine Ehrung sein soll, was nach der allgemein herrschenden Tendenz füglich zu bezweifeln ist, dann wären sowohl der Zeitpunkt als auch der Anlaß falsch gewählt.

1640 - Als Kurfürst Friedrich Wilhelm die Regierung übernahm

Die Geschichte Preußens begann nicht damit, daß sich Kurfürst Friedrich III. am 18. Januar 1701 in Königsberg selbst die Königskrone aufsetzte und sich fortan König Friedrich I. in Preußen nannte, sondern zweifellos mit seinem Vater, dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, der 1640, am Ende des Dreißigjährigen Krieges, die Regierung in Brandenburg-Preußen übernahm.

1647 - Die Linden- und Nußbaumallee "Unter den Linden"

Er machte die damalige Doppelstadt Berlin-Cölln zur Kurfürstlichen Residenz. 1647 ließ er jene Linden- und Nußbaumallee anlegen, die heute "Unter den Linden" heißt und Zentrum der deutschen Regierungspolitik ist.
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1671 - Die Bürgerrechte wurden eingeführt

Er war es auch, der begründete, was später das Besondere an den preußischen Bürgerrechten ausmachte: Schon 1671 tolerierte er die Bildung einer jüdischen Gemeinde, und durch sein "Edikt von Potsdam" (8.11.1685) bot er 20.000 aus Frankreich flüchtenden Hugenotten Zuflucht und gewährte Niederlassungsrecht, Glaubensfreiheit und wirtschaftliche Privilegien für den Neubeginn.

Der Sohn der Großen Kurfürsten, der erste preußische König, erreichte nicht annähernd die politische Größe und Bedeutung seines Vaters. Soviel zum Datum des "Preußenjahrs".
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Und wieder ein wichtiges Datum verpaßt

Die Selbstkrönung Friedrichs I. wäre nicht unbedingt Anlaß, der preußischen Geschichte zu gedenken. Das viel wesentlichere Datum der Gründung des Deutschen Reichs ließ die deutsche Bundesrepublik der Einheit vor fünf Jahren sang- und klanglos verstreichen !

Seitdem deutsche Politik wieder in der Weltstadt Berlin gemacht wird, seitdem bisherige Bonner Politiker den Hauch der ehemaligen Reichshauptstadt spüren und sich die Metropole selbst darauf besinnt, das Herz Mitteleuropas zu sein, beginnt langsam eine Rückbesinnung auf deutsche Geschichte.

Preußen sollte eigentlich getilgt werden

Plötzlich wird wieder von Preußen gesprochen, jenem deutschen Staat, der nach dem Willen der Alliierten getilgt werden sollte, und dem im deutschen Westen und Süden von gewissen Kreisen nicht immer Sympathie entgegengebracht wurde.

Auch das deutsche Kaiserreich war offenbar suspekt; man tat, als könne man sich den Mund verbrennen, würde man darüber reden. Dabei hat die deutsche Bundesrepublik von heute mit dem verflossenen Kaiserreich mehr gemeinsam als mit der Weimarer Republik.

Unsere Republik - mit dem Kaiserreich mehr gemeinsam als mit der Weimarer Republik ?

Das mag befremdlich klingen, doch nur für diejenigen, die sich nie mit deutscher Geschichte befaßt haben. Es ist wohl an der Zeit, daran zu erinnern, daß Deutschland bis zum Ende des Kaiserreichs nie ein einheitlicher Nationalstaat war wie z.B. England, Frankreich, Spanien oder Rußland.

Sowohl das "Erste Reich" seit dem frühen Mittelalter als auch das Deutsche Reich von 1871 bis 1918 waren Gemeinschaften von Staaten, Fürstentümern, Ländern, Reichsstädten.

Keinesfalls läßt sich behaupten, das preußische Königshaus habe sich in eine Führungsrolle hineingedrängt. Im 19. Jahrhundert waren es die Länder des Deutschen Bundes und sogar 1848 die erste republikanische Nationalversammlung, die dem preußischen König die Würde eines Kaisers des Deutschen Reiches antrugen.

1849 - Friedrich Wilh. IV. von Preußen lehnte die Kaiserwürde ab

Friedrich Wilhelm IV. von Preußen empfing die Kaiser-Deputation der deutschen Nationalversammlung am 3. April 1849 im Rittersaal des Berliner Stadtschlosses. Rund drei Wochen später lehnte er die
Kaiserwürde ab, angeblich, wegen fehlender Einmütigkeit der deutschen Fürsten, hauptsächlich jedoch, weil ihm die Ausrichtung des Nationalparlaments nicht paßte.

Bezeichnend ist, daß die erste republikanische Bewegung, die damals in Deutschland entstanden war, nach der Ablehnung des Preußen-Königs aufsteckte und gar nicht erst versuchte, anderen Königen in deutschen Landen die Kaiserwürde anzutragen.

Immerhin wären infragegekommen die Könige von Hannover, von Bayern, von Sachsen, von Württemberg. Der deutschen Demokratie-Bewegung ging die Luft aus, als die reaktionären Kräfte mit der Gewalt der Staatsmacht gegen die freiheitlich Gesinnten vorgingen.

Die Revolutionäre hatten kein Ordnungssystem

Doch nicht nur durch die Macht des Militärs siegten die Herrschenden, sondern auch weil sich die monarchistische Regierungsform als ein Ordnungssystem gegenüber den ungeordneten Revolutionären erwies, unter denen sich schon damals kommunistische Ideologie breitmachte, die nicht nur das Bürgertum, sondern auch Arbeiterkreise verschreckte und allgemein die Bevölkerung zur Zurückhaltung veranlaßte.

Als Gegenpol zur kommunistischen Unterwanderung - vergessen wir das nicht - begann sich die Sozialdemokratie herauszubilden.

Wir heutigen Deutschen tun uns schwer mit unserer Geschichte.

Nachdem nun endlich Berlin wieder Hauptstadt ist und die deutsche Einheit dokumentiert, gilt es, sich auch auf historische Orte und Daten zu besinnen, die vergessen sind, weil sie bewußt verdrängt wurden.

Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg allerdings - es gab noch keine Bundesrepublik Deutschland - nahm man die erste Gelegenheit wahr, daran zu erinnern, daß es in Deutschland eine demokratische Tradition gab.

Ort der Handlung war Frankfurt am Main. Mit Spendengeldern, von denen auch 10.000 Reichsmark von der Sozialistischen Einheitspartei aus Ost-Berlin kamen, wurde die im Kriege bis auf die Außenmauern zerstörte Frankfurter Paulskirche so schnell wiederaufgebaut, daß man am 18. März 1948 dort den 100. Jahrestag der ersten deutschen Nationalversammlung feierlich begehen konnte.

Nicht nur die Frankfurter Bürger begrüßten die Festgäste, die aus
ganz Deutschland und dem Ausland gekommen waren. Es wurde "berichtet: "Die Leute standen dichtgedrängt am Straßenrand, Staffettenläufer brachten Grüße aus anderen Städten. Das Bild glich dem, das vom Einzug der Abgeordneten zur ersten deutschen Nationalversammlung 100 Jahre vorher überliefert war."

1948 - Das flüchtige Aufleuchten eines Kometen

Deutschland feierte 1948 eine demokratische Tradition, obwohl sie nicht viel mehr war als das flüchtige Aufleuchten eines Kometen, der gleich darauf wieder verglühte.

Ein großes Kapitel deutscher Geschichte ? Nein, ein Geschichtchen. Immerhin: Als hundert Jahre nach der Frankfurter Nationalversammlung der Parlamentarische Rat das "Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland" ausarbeitete, wurden die "Grundrechte des deutschen Volkes" dem Sinn nach und teilweise wörtlich aus der Verfassung von 1848 übernommen.

Die demokratische Saat war 1848 nicht aufgegangen.

Die Revolution versandete. Die monarchistischen Kräfte gewannen - zunächst in Österreich - wieder die Oberhand.

Im Deutschen Bund änderte sich nichts. Die staatliche Konstruktion aber war im Prinzip schlechter, als sie es jemals war, trotz des Sieges über Napoleon 1814 und 1815.

Wer oder was war das "Deutsche Reich" ?

Seit einem ersten König von 843 bestand das "Deutsche Reich" aus einer Gemeinschaft deutscher Stämme und verwandter oder benachbarter Völkerschaften. Die Zusammengehörigkeit wechselte ständig, doch existierte jenes Staatsgefüge, das heute "Erstes Reich" genannt wird, als "Heiliges Römisches Reich" mit dem zeitweiligen Zusatz "deutscher Nation" offiziell bis 1806, als Kaiser Franz II. von Napoleon I. gezwungen wurde, die Kaiserkrone niederzulegen. Das Reich war ohnehin nur noch eine Fiktion und schon längst in Auflösung begriffen.

Die Gemeinschaft hatte sich als Entscheidungsgremium den "Reichstag" geschaffen, der ab 1663 als Gesandtenkongreß der Mitglieder zu einer ständigen Einrichtung wurde ("Immerwährender Reichstag"). In der Regel tagte er in Regensburg, vorübergehend aber auch in Augsburg und Frankfurt am Main.

Nach dem Sieg über Napoleon I. in den Befreiungskriegen folgte im Wiener Kongreß zwar eine Neuordnung Mitteleuropas, doch, statt daß sich national-staatliche Hoffnungen erfüllten, entstand nur ein völkerrechtlicher Verein, der Deutsche Bund. Deutschland blieb ein Flickenteppich unterschiedlicher Staaten, Fürstentümer, Reichsstädte. Doch Preußen gewann an Einfluß.

1862 wird Fürst Otto von Bismark Ministerpräsident von Preußen ....

..... und kurz danach auch Außenminister. Er fördert das Erstarken Preußens, was zu einem Dualismus mit der traditionsreichen Habsburger Monarchie führt, die im mitteleuropäischen Raum noch viele Landgebiete verwaltet und Verbündete besitzt.

Österreich gehört zum lose gefügten deutschen Bund (Konföderation) von 1815, aber eigentlich nur mit seinem Kernland sowie Böhmen und Mähren, ohne Ungarn, Galizien, die Bukowina, Siebenbürgen, das Banat, die Balkangebiete und Norditalien.

Bei den entstehenden Kontroversen im Deutschen Bund ist nicht unwesentlich, daß der Norden hauptsächlich protestantisch, der Süden noch immer erzkatholisch ist. Zudem gibt es auch ein erhebliches Gefälle in den Bürgerrechten.

Liberalismmus und gleiches Recht für alle

Nach altem preußischen Standpunkt soll jeder nach seiner Facon selig werden können. Preußen ist im Deutschen Bund der toleranteste Staat gegenüber den Juden. Schon der Große Kurfürst gestattete 1671 die Aufnahme einer Gruppe aus Österreich vertriebener Juden und gab die Erlaubnis freier Religionsausübung.

1812 erließ der preußische König Friedrieh Wilhelm II. ein Edikt, durch das Juden grundsätzlich gleichgestellt und zu "Einländern und Staatsbürgern" erklärt wurden.

Eine Verfassung vom 31.1.1850 bringt die volle Gleichberechtigung der Juden in Preußen. (Das wäre vor einem Jahr z.B. ein Tag des Preußengedenkens gewesen.) Zwar entschloß sich auch Österreich in einer Verfassung von 1848 zu einer Emanzipation jüdischer Bürger, doch blieben erhebliche Einschränkungen (z.B. Heiratsverbot zwischen Christen und Juden) bestehen, und erst mit Ende der Monarchie 1918 erlangten hier auch Juden die vollen Bürgerrechte.

Nicht nur die Bürgerrechtsfrage führt zu einem politischen Mißverhältnis zwischen Nord und Süd im deutschen Bund, Dissonanzen entstehen auch durch den Umstand, daß sich die österreichische Monarchie durch ihre Hegemonialpolitik in Norditalien in Schwierigkeiten bringt.

Und deutlich trachtet sie danach, sich den Zerfall des Osmanischen Reiches in Südost-Europa zunutze zu machen; eine Politik, die im Deutschen Bund von Preußen nicht geteilt wird.

1866 - Krieg zwischen Preußen und Österreich

Bismark nutzt aufkommende Spannungen mit Österreich wegen Schleswig-Holstein nach dem dänischen Krieg von 1864, um die Macht der Habsburger auszuschalten.

Es kommt 1866 zum Krieg zwischen Preußen und Österreich - eigentlich ein Bruderkrieg. Preußen siegt. Das mit Österreich verbündete Königreich Hannover endet und geht im preußischen Staat auf; Holstein wird auch preußisch.

Der Kriegsausgang hat das Ausscheiden Österreichs aus dem Deutschen Bund zur Eolge. Dieser wird aufgelöst. Der lange gehegte Gedanke, einen großdeutschen Nationalstaat mit Einschluß Österreichs herstellen zu können, scheitert.

Die Mainlinie und der Norddeutsche Bund

Doch gegründet wird ein staatlich fester gefügter Norddeutscher Bund, dem etwa bis zur Mainlinie und einschließlich Sachsens 22 deutsche Staaten, Fürstentümer und Gemeinwesen mit 30 Millionen Einwohnern angehören.

Die Leitfunktion wird Preußen übertragen; 1866 wird Berlin zur Hauptstadt des Norddeutschen Bundes. Und der preußische Ministerpräsident Otto von Bismark wird Bundeskanzler !

1867 - Die neue Bundesverfassung

Er leitet eine neue Bundesverfassung in die Wege, die 1867 in Kraft tritt. Danach erhält der Preußenkönig als "Bundespräsident" weitgehende Befugnisse für die Innen- und Außenpolitik. Am 27. April 1868 eröffnet der königliche Bundespräsident in Berlin das deutsche Zollparlament.

Den Zollverträgen treten auch süddeutsche Staaten bei. In Berlin werden die seit 1735 bestehenden Zollmauern samt den Toren niedergelegt; nur das Brandenburger Tor bleibt bestehen.

1871 - Sieg über Frankreich aber ein Reich ohne Österreich

Als am 18. Januar 1871 nach dem Sieg der vereinigten deutschen Truppen über Napoleon III. in Versailles das neue Kaiserreich ausgerufen wird, ist die Entscheidung der deutschen Fürsten einstimmig, doch Österreich ist nicht dabei.

Wieder wird, diesmal allerdings von den herrschenden Kreisen, dem preußischen König die Kaiserwürde angetragen. Er soll mit Preußen den Bund führen.

Wer heute dies als einen Coup von Bismark darstellt, leugnet jede Art von Diplomatie und wird der Situation, in der sich die deutschen Länder befanden, nicht gerecht.

Zwar wollte Bayerns König Ludwig II., daß die Kaiserkrone zwischen den Hohenzollern und den Witteisbachern alternieren sollte, doch hatte er sein Land höchstpersönlich in eine politisch und militärisch, vor allem aber wirtschaftlich schwierige Lage gebracht, so daß er sich dann doch entschloß, in einem sogenannten Kaiserbrief den preußischen König zu bitten, die Würde eines deutschen Kaisers anzunehmen.

Wilhelm I. von Preußen war keineswegs begeistert über die neue Ehre. An seine Frau schrieb er aus Versailles nach Berlin: "Ich kann Dir nicht sagen, in welcher morosen (verdrießlichen) Emotion ich in diesen Tagen war. ... Gott... wolle geben, daß so viele Hoffnungen ... durch mich in Erfüllung gehen mögen, als gewünscht wurde ! An meinem guten Willen soll es nicht fehlen."

1996 - Den 125. Jahrestag der Reichsgründung verpaßt

Es gereicht der heutigen Bundesrepublik Deutschland nicht zur Ehre, daß 1996 ignoriert wurde, den 125. Jahrestag der Reichsgründung zu begehen.

Keimt erst jetzt, nachdem Berlin wieder zum Zentrum der deutschen Politik wurde, Interesse an der deutschen Geschichte auf?

Wird man sich endlich bewußt, daß das, was unter "Deutschland" verstanden wird, immer eine Gemeinschaft deutscher Länder war ? Und daß diese Gemeinschaft ihre historischen Stätten hat ?

1867 - Der "Immerwährende Reichstag"

Nach der Gründung des Norddeutschen Bundes setzte sich die Tradition des "Immerwährenden Reichstags" fort, nunmehr als Länderparlament in Berlin.

Der erste konstituierende Reichstag des neuen Bundes wurde am 24. Februar 1867 im Weißen Saal des königlichen Schlosses in Berlin von König Wilhelm I. eröffnet.

Bevor 1894 das neue Reichtagsgebäude neben dem Brandenburger Tor eingeweiht wurde, zu dem übrigens (vergessen?) 1884 der Kaiser persönlich den Grundstein gelegt hatte, versammelten sich die Repräsentanten der Länder und Stände des Deutschen Reichs an verschiedenen Stellen der Stadt, hauptsächlich jedoch im sogenannten Preußischen Herrenhaus in der Leipziger Straße 3/4, das bis 1918 dem Adel als zweite Kammer des preußischen Parlaments diente.

Es gab damals bereits einen Bundesrat

Der damalige Bundesrat tagte dort offiziell in einem größeren Sitzungssaal im hinteren Seitenflügel. Viele Sitzungen fanden aber auch im Reichskanzleramt Wilhelmstraße 4 statt. Nachdem das ehemalige Preußische Herrenhaus seit März 1997 in seiner Form von 1904 wiederhergestellt wurde, hat inzwischen der Deutsche Bundesrat dort seinen Sitz genommen, so daß eine historische Stätte des deutschen Bundes wiederbelebt wurde.

Ab 1760 sogar eine Königlich-preußische Porzellanmanufaktur

Auch sonst ist dieses Gelände, das sich südöstlich am Leipziger Platz anschließt, kulturhistorisch interessant. 1760 erwarb der Kaufmann Gotzkowsky das "Dorvillsche Haus" Leipziger Straße 4 und begründete eine Porzellanfabrik, die bald danach zur ersten Fabrikationsstätte der berühmten Königlich-preußischen Porzellanmanufaktur wurde.

In der neuen Hauptstadt Deutschlands die Geschichte der alten Reichshauptstadt wiederzuentdecken, hat seinen Reiz und auch seinen Sinn nach den Zeiten der nationalsozialistischen und der kommunistischen Gewaltherrschaft, in denen vieles zu Trümmern wurde oder in Vergessenheit geriet, ja geraten sollte.

Und jetzt etwas über das Berliner Stadtschloß

Eine sehr wesentliche Stätte des deutschen Bundes der Zeit bis 1918 aber muß noch der Gegenwart wieder ins Bewußtsein gebracht werden. Es ist das Berliner Stadtschloß.

Wenn der deutsche Nachkriegsdiktator Walter Ulbricht die Ruinen des durchaus wiederaufbaubaren Schlosses im September und Oktober 1950 sprengen ließ und dazu das Argument benutzte, es sei eine Zwingburg der Junker und das Symbol eines längst vergangenen Fürstenkults gewesen, so gesellte sich dabei zur Kulturbarbarei die politische Lüge eines Kommunisten, der nur Stalins "Vaterland der Werktätigen" gelten ließ und im Sinne seines Herrn einen Roten Platz in Berlin brauchte, einen Aufmarschplatz für martialische Machtdemonstrationen, wobei er ausgerechnet das wiederbelebte, was die Welt unter preußischem Militarismus verstand.

Heute in 2001 wird diskutiert - Schloss oder Palast

Es mutet merkwürdig an, wenn in heutiger Diskussion um den Wiederaufbau des Stadtschlosses in Berlin-Mitte ein Argument auftaucht, der "Palast der Republik" solle erhalten bleiben als Beispiel für "Sieger-Architektur".

Wer das möchte, soll ihn abtragen lassen und, asbestentsorgt, woanders, z.B. in Karlshorst, wieder hinstellen lassen. In Berlins Mitte gehört Siegerarchitektur in dieser Weise nicht hin, denn hier ist historischer deutscher Boden.

Wer die Erinnerung an die sowjetische Herrschaft in Berlin bewahrt wissen will, soll sich mit dem Ehrenmal zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule zufrieden geben, jedoch müßte es unbedingt um ein Denkmal für Michail Gorbatschow ergänzt werden.

Das Berliner Stadtschloß war Symbol des Deutschen Reiches, und das Deutsche Reich war ein Bundesstaat !
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1871 - Die Macht im Staate von drei Organen

Nach einer vorläufigen Verfassung vom 16. April 1871 ging die Macht im Staate von drei Organen aus:

Dem Bundesrat, dem Präsidium und dem Reichstag der Länder. Der vom Kaiser ernannte Reichskanzler war auch Präsident des Bundesrates.

Leider war dieses System nur in geringer Weise demokratisch. Im Nachhinein betrachtet, mag es bedauerlich sein, daß Friedrich Wilhelm IV. von Preußen 1849 die Kaiserkrone abgelehnt hatte. Eine Chance für Deutschland war vertan.

Doch im Prinzip war sein Argument richtig, daß die deutschen Fürsten dazu nicht bereit waren. Die 1848er Revolution wurde z.B. in Baden und in Sachsen weit heftiger bekämpft als in Berlin. Übrigens floh als Folge davon seinerzeit Richard Wagner aus Dresden.

Bismark wurde Reichskanzler

Mit der Reichsgründung war Bismark - inzwischen in der Grafenstand erhoben - zum deutschen Reichskanzler geworden. Doch weder ihm noch Kaiser Wilhelm I. kann angelastet werden, daß in der Erbfolge ein Enkel Kaiser wurde, dem es oft, besonders aber in entscheidenden Wochen des Jahres 1914 an Diplomatie (und an einem Kanzler Bismark) mangelte.

Man darf aber wohl als unbegreiflich konstatieren, daß von den im Deutschen Reich vereinigten Königen, Fürsten, Reichsständen niemand so viel Verstand aufbrachte, den Kaiser in die diplomatische Pflicht zu nehmen, um das Reich vor der Katastrophe eines Weltkrieges zu bewahren, in die es letztlich geriet, wobei alle gemeinsam untergingen.

Nach 1918 - ein Nationalstaat mit einer Reichsregierung

Das nach Kriegsende 1918 folgende Reich war zum ersten Mal in der deutschen Geschichte ein Nationalstaat mit einer Reichsregierung, die der "Reichspräsident" auf Vorschlag der übrigen "Reichsminister" ernannte.

Es gab zwar noch als "Reichsrat" eine Vertretung der deutschen Länder, die aber der Reichsregierung unterstellt waren. Den Vorsitz führte ein Reichsminister. Zum Zweck der "Reichsrats" hieß es lediglich, dieser solle die Angelegenheiten und Bedürfnisse der insgesamt 17 deutschen Länder - sogenannte "Gliedstaaten" - bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Reiches vertreten.

Das erste "Dritte Reich" von 1918

Eigentlich war das nach dem ersten Weltkrieg entstandene Staatsgebilde das "Dritte Reich", doch beanspruchte Hitler diesen Titel für seinen Machtstaat mit dem Argument, die "Weimarer Republik" von 1918/19 bis 1933 sei nur eine "Systemzeit" gewesen.

So ganz falsch lagen die Nationalsozialisten mit dieser Bezeichnung eigentlich nicht. Die Weimarer Verfassung von 1919 wies erhebliche Mängel auf, die schließlich zum Verhängnis führten. Rein offiziell gab es noch 17 Länder im Deutschen Reich mit eigenen Verfassungen, Parlamenten und Regierungen.

Die "Preußen" hatten das Sagen

Die Verwaltung Preußens wurde in der Reichshauptstadt Berlin besonders eng mit der des Reichs verbunden; alle preußischen Ministerien, bis auf der Finanzministerium, wurden mit den entsprechenden Reichsministerien zusammengelegt. Dabei wirkte sich für das Schicksal der neuen Republik sehr nachteilig aus, daß alte Gegensätzlichkeiten zwischen Nord und Süd, speziell zwischen Bayern und Preußen, wiederauflebten.

Die preußischen Prinzipien der Toleranz verschwanden

Von den preußischen Prinzipien der Toleranz blieb im neuen Staat nicht viel, von den Zielen der republikanischen Bewegung der Frankfurter Nationalversammlung von 1848 wurde kaum etwas umgesetzt.

Übrig blieb : Der Standesdünkel der Militärs.

Nun waren es andere reaktionäre Kräfte, die zu unterwandern begannen, was die Führungsrolle Preußens im Deutsehen Reich ausgemacht hatte. Es blieb nur übrig, was sich in der Epoche Kaiser Wilhelms II. herausgebildet und als sehr negativ erwiesen hatte: Der Standesdünkel der Militärs. In der "Reichswehr" hatte er sogar die Niederlage überstanden.

1920 und 1932 - Sieben mal Neuwahlen

Sieben mal wurde zwischen 1920 und 1932 der Reichstag aufgelöst, jedesmal wurden Neuwahlen fällig. Zwischen 1919 und Januar 1933 gab es 20 Kabinette mit 12 verschiedenen Reichskanzlern. Das verfassungsrechtlich etablierte Vielparteiensystem begünstigte das sogenannte "Notverordnungsrecht" des Reichspräsidenten. Ein als Volksheld gefeierter Generalfeldmarschall wurde Reichspräsident. Unglücklicherweise.

Paul von Hindenburg hatte zwar zu Beginn des Weltkriegs in Ostpreußen bei Tannenberg einen bedeutsamen Sieg errungen, sich dann aber am Schicksal Deutschlands und Europas vergangen, weil er den zögernden Kaiser bestärkt hatte, den Krieg fortzusetzen zu einem Zeitpunkt, an dem es durch Vermittlung der USA und anderer Staaten noch zu einem ehrenvollen Frieden hätte kommen können.

Der "rote Zar" im größten Land des Reiches ....

Der Gliedstaat Preußen hatte in Otto Braun von der SPD immerhin einen Ministerpräsidenten, der von 1920, mit kurzen Unterbrechungen, zwölf Jahre im Amt blieb. Der "rote Zar" im größten Land des Reiches war - rückblickend betrachtet - bei den dauernd wechselnden Reichsregierungen ein erheblicher Stabilitätsfaktor für die Republik, die er entschieden gegen die radikalen, antirepublikanischen Parteien verteidigte.

Diese Regierung Braun wurde am 20. 7.1932 durch den von Reichspräsident Hindenburg berufenen Reichskanzler Franz von Papen mit einer von Hindenburg erlassenen "Notverordnung" des Amtes enthoben.

Der in die Geschichte unter dem Begriff "Preußenschlag" eingegangene Vorfall führte die deutsche Republik dem Ende entgegen, das sich schon seit längerem abgezeichnet hatte.

Die Weimarer Republik hat schmählich versagt

Die Weimarer Republik hat schmählich versagt und kann kein Vorbild für die heutige Bundesrepublik sein. Sie hat Deutschland den Weg bereitet in die größte Katastrophe seit dem Dreißigjährigen Krieg.

Denn hätte das deutsche Kaiserreich - gegebenenfalls in republikanischer Form - weiterbestanden mit den preußischen Prinzipien und der preußischen "Staatsmoral", hätte niemals ein wegen Hochverrats vorbestrafter österreichischer Volksaufwiegler, der deutsche Bürger - Andersdenkende und speziell jüdische Staatsbürger - verunglimpfte, die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten und schon garnicht deutscher Reichskanzler werden können !
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Weil auch dies weitgehend vergessen ist:

Der Österreicher Adolf Hitler hatte am 8.11.1923 in München einen Putschversuch unternommen und am folgenden Tag mit einem Marsch zur Feldherrnhalle eine "Nationale Revolution" organisiert, bei der 16 Putschisten und drei Polizeibeamte den Tod fanden.

Der Volksgerichtshof in München verurteilte Hitler, den Anführer, zu fünf Jahren Festungshaft, räumte ihm aber gleichzeitig eine Bewährungsfrist ein. Nach nur einjähriger Haft wurde Hitler schon wieder entlassen. So geschehen in Bayern !

Das milde Verfahren gegen Hitler verstieß gegen §9, Abs. 2 des Republikschutzgesetzes, der die Ausweisung eines wegen Hochverrats verurteilten Ausländers aus dem Deutschen Reich vorschrieb.

Und ein treuer Gefolgsmann des Österreichers und Teilnehmer am Hochverrat, Hermann Göring, Judenhasser aus Bayern, der sich dem Haftbefehl durch Flucht nach Österreich entzogen hatte, durfte 1927 durch eine Amnestie nach Deutschland zurückkehren.

Hier wurde er 1932 - noch zu Zeiten der Republik ! - Reichstagspräsident und begann damit eine politische Karriere, durch die er auch noch - nach der Machtübernahme - zum preußischen Ministerpräsidenten wurde. - Was für eine Republik !

Und - Ironie der Geschichte:

Als die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs mit Gesetz Nr. 4-6 des Alliierten Kontrollrats vom 25. Februar 1947 die Auflösung Preußens verfügten, machten sie sich zu Komplizen Hitlers, denn sie erfüllten dessen Unterfangen und vollendeten das, was er faktisch schon 1933 vollzogen hatte.

Am 21. März vor nunmehr 130 Jahren

Der 125. Jahrestag der deutschen Reichsgründung wurde 1996 ignoriert. Umso angebrachter ist es, daran zu erinnern, daß am 21. März vor nunmehr 130 Jahren der erste Reichstag des neuen Reiches zusammentrat.

Ort der historischen Zeremonie war der Weiße Saal des königlichen Schlosses in Berlin, der Zeitpunkt 1 Uhr mittags. Zuvor gab es Gottesdienste, die für die evangelischen Mitglieder
in der Schloßkapelle, für die katholischen Mitglieder in der St. Hedwigskirche abgehalten wurden.

Bei der feierlichen Eröffnung des Reichstags verwies der Kaiser in seiner Thronrede auf die im Krieg gegen Frankreich zutage getretene "treue Eintracht der deutschen Bundesgenossen" und sagte unter anderem:

"Wir haben erreicht, was seit der Zeit unserer Väter für Deutschland erstrebt wurde: die Einheit und deren organische Gestaltung." - Immerhin eine Aussage, wie sie heute auch für die deutsche Bundesrepublik gelten kann.
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Das Berliner Stadt-Schloß fehlt

Betrachten wir die historischen Stätten des deutschen Bundes in unserer Hauptstadt Berlin, so läßt sich feststellen: Die St. Hedwigskirche steht noch, das Reichstagsgebäude wurde neubelebt, das alte "Preußische Herrenhaus" ist zum Sitz des Bundesrats geworden, doch das Schloß fehlt.

Ein kleiner Rest von ihm ist das nachgestaltete Nordportal des Schlosses, das 1964 in das "Staatsratsgebäude der DDR" einbezogen wurde. Es war von Ulbricht aus Gründen der kommunistischen Pietät bewahrt worden, weil hier vom Balkon, an seinem ursprünglichen Standort rund 100 Meter entfernt, Karl Liebknecht am 9. November 1918 eine sozialistische deutsche Republik ausgerufen hatte.

Die Kombination des Schloßportals mit dem sozialistischen Neubau, in dem heute vorübergehend der Bundeskanzler seinen Sitz hat, führte zu einem Stilgemisch. Das von der DDR hinterlassene "Staatsratsgebäude" ist alles andere als ein Prunkstück der Architektur im Herzen Berlins.

Zur Geschichte der deutschen Hauptstadt gehört das Stadtschloß in Berlins Mitte. Es war eine historische Stätte des deutschen Reichs, und das deutsche Reich war ein Bund deutscher Länder ! Wie das Deutschland von heute.

Anmerkungen zu deutscher Gegenwart und Vergangenheit von Günter Bartosch im Januar 2001
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