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typische historische Kamera

Zum Auffrischen und Erinnern . . . .

. . . sind diese Seiten hier gedacht, denn viele wissen nicht mehr oder noch nicht, wie es damals angefangen hat und wie das wirklich funktioniert mit dem Fernsehen, den Kameras, den Videorecordern, den Tonband- und den Magnetband- geräten aus alter Zeit. Viele Bilder können Sie durch Anklicken vergrößern.

1954 - Entwicklung der Fernsehtechnik bei der FERNSEH

von Dipl-Ing. F. Rudert und Dr. H. Strübig.

Die Physiker und Ingenieure, die sich mit der Fernsehtechnik beschäftigten, standen noch in den Jahren 1928/1929 vor unübersehbaren Aufgaben. Grundsätzliche Überlegungen und Rechnungen waren zwar an­gestellt, woraus der Aufwand und der Weg für die Übertragung von Bildern auf elektrischem Weg abge­leitet werden konnten. Jedoch waren die Mittel und Möglichkeiten noch völlig unzureichend.

Trotzdem begannen zu dieser Zeit die Versuchsarbeiten mit dem konkreten Ziel, die Fernsehtechnik als ein neuartiges Nachrichtenmittel für die Öffentlichkeit reif zu machen.

Das mechanische Fernsehen

Zur Abtastung standen im Jahre 1929 nur die mechanischen Methoden zur Verfügung: Spirallochscheibe und Weiller'sches Spiegelrad, zur Signalerzeugung die gasgefüllte Photozelle und als Wiedergabe-Lichtquelle die Glimmlampe. Die Verstärker- technik war durch die Rundfunktechnik verhältnismäßig gut fundiert, jedoch waren die speziellen Bedingungen, die die Fernsehsignale erfordern (Bandbreite, Gleichstromkomponente, hohe Ausgangsleistung), noch nicht realisierbar.

Auf der Basis dieses technischen Standes und mit Rücksicht auf die Bandbreite des Ton-Rundfunks wurden 1929 von der FERNSEH AG die ersten Fernsehgeräte für 30 Zeilen mit 12/2 Bildwechseln, d. h. einer Bildpunktzahl von etwa 1.000 und mit einer Bandbreite von etwa 7.000 Hz gebaut. Übertragen wurden nur einzelne Gegenstände und man freute sich, wenn die Gesichtszüge einer Person zu erkennen waren.

Auf unseren heutigen 625zeiligen Bildern ist die 400-fache Bildpunktzahl unterzubringen: Ein Ausschnitt in der Größe einer Briefmarke auf einem modernen 40-cm-Schirmbild enthält die gleiche Information wie ein 30zeiliges Bild!

Bilder dieses ersten Lichtstrahlabtasters mit Nipkowscheibe wurden von der damaligen FERNSEH AG auf der Funkaus- stellung 1929 in Betrieb gezeigt. Ein an die Deutsche Reichspost gelieferter Abtaster dieser Art diente zu Versuchs- sendungen über die Sender Berlin und Königswusterhausen, die über Entfernungen von mehreren 100 km empfangen werden konnten.

Schon im folgenden Jahre entstanden Geräte mit 67 Zeilen, und der erste Filmabtaster wurde bereits in dieser Zeit mit einer Bildwechselfrequenz von 25 Hz - also 25 Bildern in der Sekunde - gebaut, sodaß die Verwendung normaler Filmprojektoren als Bildgeber möglich wurde. Weitere Versuche, eine noch höhere Bildauflösung zu bekommen, scheiterten zunächst an der unzureichenden Lichtquelle für den Empfänger.

Die Leuchtdichte der bis dahin verwendeten Stabglimmlampe reichte nicht aus, andererseits war die Anwendungsmöglichkeit der Braunschen Röhre noch nicht genügend geklärt. In dem für die Weiterentwicklung der Fernsehtechnik kritischen Jahr 1931 gelang es jedoch der FERNSEH AG in Zusammenarbeit mit der Firma OSRAM, die Natriumdampflampe für den Fernsehempfang brauchbar zu machen. Damit war der Weg für höhere Bildpunktzahlen frei. Bilder von einem Abtaster für 90 Zeilen und 25 Bildwechsel entsprechend einer Bildpunktzahl von rund 10.000 ergaben auf dem Empfänger mit der Natriumdampflampe (Abb. 2) überraschend helle und scharfe Bilder.

Das Ende des mechanischen Fernsehens

Die letzte Stufe des auf mechanischer Basis arbeitenden Empfängers war der Spiegelschrauben-Empfänger mit Natriumdampflampe, der in der Lage war, ein Originalbildformat von 15X18 cm zu erzeugen, womit mehreren Personen die Bildbetrachtung gleichzeitig möglich war (Abb. 3). Dann erschien die für Fernsehzwecke bereits vorgeschlagene Braunsche Röhre als Bildempfänger und verdrängte den mechanisch arbeitenden Empfänger völlig.

Die Aufnahme von natürlichen Szenen im heutigen Sinne war zur damaligen Zeit nicht möglich, da der Lichtstrahlabtaster nur im verdunkelten Raum funktionierte und lediglich zur Übertragung von einzelnen Personen geeignet war. Hier brachte das von der FERNSEH AG vom Jahre 1931 ab in intensiver Entwicklungsarbeit geschaffene Zwischenfllmverfahren [G. Schubert] eine Lösung.

Der mit einer normalen Filmkamera aufgenommene Film wurde sofort einer Schnellentwicklung unterzogen und konnte wenige Sekunden nach der Aufnahme bereits wieder abgetastet werden. Das Zwischenfilmverfahren war bis zum Jahre 1936 das einzige Aufnahmeverfahren, welches Freilichtszenen und Reportagen ermöglichte, und wurde endgültig erst abgelöst durch elektronisch arbeitende Kameras mit Bildspeicherung.

Für Großprojektion wurde das Zwischenfilmverfahren in umgekehrtem Sinn angewendet, indem das Empfangsbild auf Film aufgezeichnet wurde, der in einer Schnellentwicklungseinrichtung photographisch fertiggemacht wurde und anschließend durch einen normalen Kinoprojektor lief. Geradezu ein Wunderwerk war der photographische Teil einer kontinuierlich arbeitenden Anlage (Abb. 4). Hier hatte man keinen durchlaufenden Filmstreifen verwendet, sondern eine Filmschleife, deren Emulsion nach der Projektion abgewaschen und für die weitere Aufzeichnung wieder neu aufgegossen wurde. Die Anlage enthielt also nicht nur eine Schnellentwicklung, sondern gleichzeitig eine Emulsionsgußvorrichtung und konnte ohne Filmkosten mehrere Stunden lang im kontinuierlichen Verfahren in Gang gehalten werden.

Die Zukunft liegt in der Braunschen Röhre

In der Erkenntnis, daß beim Fernsehen die Elektronik in Zukunft große Anwendungsmöglichkeiten finden würde, richtete man schon frühzeitig ein Hochvakuumlabor ein. Der erste bedeutende Erfolg dieser Arbeiten war die Entwicklung einer Hochvakuum- Kathodenstrahlröhre, deren Anwendung als Bildröhre im Empfänger erstmals durch die FERNSEH AG verwirklicht wurde.

Die Röhre aus dem Jahre 1933 war statisch abgelenkt und magnetisch fokussiert. Schon damals wurde die weitere Entwicklungsrichtung durch den Zwang zur Verkürzung der Röhre bestimmt. Der Weg führte dementsprechend über die kürzer zu bauende statisch fokussierte und abgelenkte Röhre wieder zur vollmagnetischen Röhre im Jahre 1936 mit größerem Ablenkwinkel.

Auch die Vorteile der Nachbeschleunigung (Abb. 5) wurden praktisch genutzt [E. Schwartz]. 1934 zeigte die FERNSEH AG das größte bis dahin erzeugte Bild in einem kompletten Fernsehempfänger für drahtlosen Empfang mit einer 40-cm-Röhre (Abb. 6).


Als am 1. April 1934 die Reichspost mit den ersten regelmäßigen Fernsehsendungen begann, konnte man mit Recht sagen, daß die Fernsehentwicklung aus den Kinderschuhen herausgewachsen sei. Es standen für Filmsendungen Abtaster für 180 Zeilen und 25 Bildwechsel mit Mehrfach-Spirallochscheiben, die im Vakuum liefen, [K. Thöm] zur Verfügung. Für Personenaufnahmen waren betriebssichere Lichtstrahlabtaster vorhanden, während das Zwischenfilmverfahren für die Aufnahme lebender Szenen so weit durchgearbeitet war, daß der Bau eines kompletten Aufnahmewagens durchgeführt werden konnte. Dieser Wagen wurde 1934 an die RRG geliefert (Abb. 7).

Von 90 auf 180 Zeilen, ein riesen Schritt

Für die 180-Zeilen-Norm wurde bereits eine Bandbreite von 500 kHz benötigt. Zur Ausstrahlung der Signale konnten daher nur noch Kurzwellensender verwendet werden. Der erste Sender in Berlin-Witzleben im Jahre 1934 hatte deshalb eine Wellenlänge im UKW-Gebiet. Überhaupt hat die fortschreitende Fernsehtechnik die Forschung der Kurzwellentechnik und der Kurzwellenausbreitung stark gefördert.

Die Synchronisierung der Empfänger, die bis dahin durch die Schwarzlücke während des Rücklaufs gewonnen wurde und mehr oder weniger durch Störungen oder den Bildinhalt selbst beeinflußbar war, wurde bei Einführung der 180-Zeilen-Norm durch Anwendung eines vom Bildinhalt unabhängigen „schwärzer als Schwarz" - Impulses ganz wesentlich verbessert. Auch auf diesem Gebiet war der Weg frei für höhere Zeilenzahlen. Labormäßig waren zu dieser Zeit bereits Abtaster mit 360 Zeilen fertiggestellt (Abb. 8).

Das Jahr 1935 brachte auf dem Gebiet der Hochvakuumtechnik einen neuen Impuls: Der Sekundärelektronenverstärker wurde in eine praktisch brauchbare Form gebracht und zunächst in die Photozelle eingebaut. Aber auch in der Farnsworth'schen Sondenröhre (Abb. 9), die von der FERNSEH AG weiterentwickelt wurde, war der Sekundärverstärker ein unentbehrliches Element, um die Röhre für höhere Zeilenzahlen geeignet zu machen.

Von jetzt an nur noch vollelektronisch.

Zu den in Berlin stattfindenden Olympischen Spielen im Jahre 1936 sollte erstmalig das Fernsehen in größerem Maße der Öffentlichkeit vorgeführt werden. Dementsprechend konzentrierte sich die Arbeit der am Fernsehen beteiligten Firmen. Die FERNSEH AG erstellte einen weiteren verbesserten Zwischenfilmwagen sowie eine Kamera-Anlage für direkte Aufnahmen mit der Farnsworth-Röhre.

Auch der erste öffentliche Versuch mit Iconoscope-Kameras wurde von anderer Seite (man vermeidet hier, den Namen Telefunken zu nennen) erfolgreich vorgenommen. Zum Empfang der interessanten Sportsendungen waren die Geräte mit Braunscher Röhre weiterentwickelt worden.

Die FERNSEH AG lieferte 1936 Empfänger mit 50-cm-Bildröhre (Abb. 10), die in den zahlreichen Berliner Fernsehstuben aufgestellt wurden. Noch das gleiche Jahr brachte den Bemühungen um die Beseitigung des mit helleren Empfangsbildern immer störender in Erscheinung tretenden Flimmerns einen weiteren Erfolg. Das Zwischenzeilenverfahren mit dem Übergang der Teilbildfrequenz auf 50 Hz war so weit entwickelt, daß es in Form einer 375-Zeilen-Anlage von der FERNSEH AG auf der Funkausstellung vorgeführt werden konnte.

In der Erkenntnis, daß bei der notwendigen Steigerung der Auflösung sämtliche mechanischen Systeme, zumindest für Aufnahmen von natürlichen Szenen versagen mußten, und daß nur noch die speichernde Aufnahmeröhre eine Zukunft hatte, wurde in aller Stille an der Entwicklung (es sollte korrekter Weise "Weitereintwicklung" heißen ??) des (amerikanischen) Iconoscopes und einer betriebssicheren Kamera-Anlage gearbeitet.

1937 ein erstes Iconoscope
1949 ein modernes Supericonoscope

Deutschland reklamiert 1936 das Ikonoskop für sich.

Die ersten 1936 hergestellten "Iconoscope" sahen noch recht unfertig aus, jedoch war die Röhre des folgenden Jahres schon zu einer gewissen Reife durchentwickelt [R. Behne], wobei vor allem die Anwendung einer Planscheibe für den Lichtweg und der Einbau eines Rahmens vor der Signalplatte zur Verringerung des Störsignals kennzeichnend sind.

Zur Funkausstellung 1937 waren die ersten Kamerazüge fertiggestellt und konnten mit Einführung der 441-Zeilen-Norm ihre Bewährungsprobe bestehen [U. Knick].

Obwohl diese Kameras mit einem optischen Sucher [P. Lindner] ausgestattet waren, wurden schon in dieser Zeit Versuche unternommen, einen elektronischen Sucher [E. Schwarzer] in der Kamera unterzubringen. Diese Kameras (Abb. 11) verdrängten im weiteren Verlauf sowohl das Zwischenfilmverfahren als auch die Sondenröhre-Aufnahmekamera.

Das Zwischenfilmverfahren hat jedoch noch heute Bedeutung für die Konservierung von Fernsehsendungen in Form der Filmaufzeichnungsanlage. Das Sondenrohr [W. Hartmann] wurde noch lange zur Abtastung von Filmen verwendet.

Größere Bilder sind gefragt

Der Wunsch nach Vergrößerung der Empfangsbilder ist so alt wie die Fernsehtechnik selbst. Eine direkt betrachtete Braunsche Röhre ermöglicht Bilder bis 50cm, in allerneuester Zeit (ab 1972) bis 70cm Diagonale.

Darüber hinaus muß zum Projektionsprinzip gegriffen werden. An dieser Entwicklung ist die FERNSEH GMBH ganz entscheidend beteiligt. Vom Heimprojektionsempfänger des Jahres 1937 bis zur 80-kV- Großprojektionsanlage mit Linsenrasterschirm [R. Möller] des Jahres 1938 (Abb. 12) wurden alle Probleme aufgegriffen.

Eine besondere Leistung war eine 80-kV - Projektionsröhre [E. Schwartz, H. Strübig, H. Paehr] - die sogenannte Wunderlampe (Abb. 13) -, deren Aufbau sehr interessant und deren Leistung imponierend war.

Die Röhre besaß einen Metallschirm für Aufprojektion, der in der Lage war, eine Strahlleistung von 300 W aufzunehmen. Die Spitzenhelligkeit betrug 600 Hefnerkerzen und ergab in Verbindung mit dem Linsenrasterschirm und einer Spezialoptik mit einer relativen Öffnung von 1:2 eine scheinbare Leuchtdichte von 100 asb auf einem Bildschirm von 3x4 m. Dieser Großprojektor wurde in Berlin im Jahre 1939 im Fernsehkino, Turmstraße, eingebaut und lieferte jahrelang Bilder, wie sie der Zuschauer im Kino gewöhnt ist.

Anmerkung der Redaktion: Diese 80 KV Projektionsröhre wurde in Zusammenarbeit mit dem Partner Loewe gebaut, denn Loewe hatte das Hochvakuum-Labor, das dann später (nach der Enteignung der Brüder Loewe) bei der Fese "eingemeindet" wurde.

Aufstieg zu 441 Zeilen

Mit der bevorstehenden regelmäßigen Aussendung von 441-Zeilen-Bildern mußten im Jahre 1938 viele Betriebsgeräte geschaffen werden, die, vielfach kaum beachtet, das Fundament einer betriebssicheren Sendung darstellen: Taktgeber, Kontrollempfänger, tragbare Geräte, Regie- und Mischpulte, Kabelmodulatoren, Meßgeräte [F. Below, J. Schunack]. Vor allem aber rückte die Schaffung eines brauchbaren, preiswerten Heimempfängers in den Vordergrund.

Richtige Fernseher sind jetzt gefragt

Besonders markant war der 1938 durchkonstruierte Empfänger DE 7 [F. Rudert], dessen Abmessung im Verhältnis zur Bildgröße und dessen Leistung bei verhältnismäßig geringem Aufwand mit den heutigen modernen Geräten durchaus vergleichbar ist (Abb. 15). Er enthielt bereits eine Weitwinkelröhre, deren Hochspannung von 7 kV aus dem Horizontal-Kippgerät gewonnen wurde [Th. Mulert, H. Bähring], Einknopfbedienung für Kontrast in Verbindung mit automatischer Verstärkungsregelung sowie Rundfunkempfangsmöglichkeit für zwei Sender.

Dieser Empfänger war in mancher Hinsicht das Vorbild für den im Jahre 1939 herausgebrachten Einheitsempfänger der deutschen Fernsehindustrie. Neben dem Einheitsempfänger stellte die FERNSEH GMBH 1939 noch zwei weitere Empfängertypen der Öffentlichkeit vor, und zwar einen 40-cm-Tischempfänger mit 90° Ablenkwinkel und eingebautem Rundfunkempfänger (Abb. 16) sowie einen Heimprojektions- Tischempfänger. Diese Empfänger enthielten bereits alle wesentlichen Merkmale der jetzigen Geräte.

Der hypermoderne Gegenseh-Sprechverkehr 1939

Erwähnt sei noch, daß die FERNSEH GMBH in den Jahren 1936 bis 1939 an der Einrichtung eines Gegenseh-Sprechverkehrs [J. Schunack, R. Maly] der Deutschen Reichspost maßgebend beteiligt war. Die Anlagen waren 1939 auf der Strecke zwischen Berlin, Leipzig, Nürnberg und München in Betrieb.

Mit dem Beginn des Krieges wurde der weitere Aufbau des Fernsehrundfunks in Deutschland unterbrochen, obwohl die regelmäßigen täglichen Sendungen mit den vorhandenen Geräten noch einige Jahre lang in Berlin weitergeführt wurden. Die Arbeiten auf dem Fernsehgebiet konnten bei der FERNSEH GMBH fortgesetzt werden, wobei die Entwicklungsrichtung vielfach neue Wege gehen mußte. Die Geräte sollten auch unter ungünstigen äußeren Umständen und in der Hand von Nichtfachleuten sicher funktionieren.

Größe, Gewicht und Leistungsverbrauch mußten herabgesetzt und neue Methoden für die störungsfreie Übertragung der Signale gesucht werden. Die vielseitigen Entwicklungsprobleme seien hier nur stichwortartig gestreift.

Die IS9 wird entwickelt

Super-Iconoscope-Kameras wurden in sehr gedrängtem Aufbau mit dem neu entwickelten Klein- Supericonoscope IS 9 gebaut. Eine derartige Kamera (Abb. 17) enthielt sämtliche Geräte, die notwendig sind, um ein vollständiges Bildsignal abzugeben. Außerdem wurden, um die Bedienung der Kamera auf ein Minimum zu beschränken, Verstärkerautomatik und später auch automatische Blendenverstellung [J. Günther] vorgesehen.

Für die Aussendung der Bildsignale wurden kleine transportable Sender für das 3-m-Band (Bodeneinsatz) und im 70-cm-Band (für Flugbetrieb) entwickelt. Diese Sender hatten Reichweiten zwischen 10 und 40km [W. Dillenburger, W. Hass, H. Richter]. Für den Fernsehempfang wurde zunächst nach einer weitgehend stabilen Synchronisierung gesucht. Als günstigste Lösung wurde die sogenannte Schwungradsynchronisierung gefunden, die gekennzeichnet ist durch die Tatsache, daß nur die Horizontalfrequenz zum Empfänger übermittelt wird, während die Vertikalfrequenz durch einen Frequenzteiler im Empfänger gewonnen wird.

Etwas Neues fürs Militär

Durch die Anwendung von stabilisierten Horizontalfrequenz-Generatoren auf Sende- und Empfangsseite blieb die Synchronisierung auch dann noch aufrechterhalten, wenn durch Übertragungsstörungen mehrere Horizontalimpulse ausfielen. Als Empfänger wurden zwei kommerzielle Typen entwickelt. Der erste Typ stellte einen Kleinempfänger mit UKW-Empfangsteil oder Dezimeter-Empfangsteil und Mitnahmetaktgeber dar. Der größere Typ war ein Hochleistungsempfänger für Betrieb in großen Höhen und einer sehr hellen Braunschen Röhre für Betrachtung bei vollem Tageslicht (Abb. 18).

Die sogenannte Schnellbildübertragungsanlage bestand aus einem vollständigen Lichtpunkt-Diaabtaster, der zusammen mit einem kleinen UKW-Sender mittels eines Druckknopfes nur für eine Bilddauer hochgetastet wurde. Dieses einzige Bild wurde im Empfänger auf einem Film aufgezeichnet, der schnellentwickelt wurde und nach kürzester Zeit das ausgesendete Diabild enthielt. Der Vorteil dieser Anlage war, daß die Sendung praktisch nicht anpeilbar war und fertige Bilder in Dokumentarform lieferte. Um die Möglichkeiten zu beurteilen, die in einem Bild mit noch wesentlich höherer Auflösung stecken, wurde in den Jahren 1939 und 1940 eine Apparatur für 1029 Zeilen entwickelt und fertiggestellt. Es zeigte sich, daß die technischen und physikalischen Hilfsmittel für diesen Zweck zu dieser Zeit vorhanden waren, um Bilder einer derart hohen Auflösung einwandfrei herzustellen.

Erfahrung in der eigenen Röhrenfertigung

Von dem in den Jahren 1939 bis 1940 technologisch sauber durchkonstruierten Supericonoscope IS 9 (Abb. 19) wurden während des Krieges mehrere Tausend Exemplare hergestellt und hierbei große Fertigungserfahrungen gesammelt. Der grundsätzliche Aufbau und die Abmessungen dieses Iconoscopes sind bis heute unverändert geblieben und auch weitgehend von ausländischen Herstellern übernommen worden.

Von den zahlreichen weiteren Arbeiten auf dem Hochvakuumgebiet sei nur erwähnt, daß 1944 eine Versuchskamera mit einem Orthicon [W. Dillenburger, W. Flechsig] fertiggestellt war, und daß schon in dieser Zeit besonders helle und kontrastreiche Bildröhren mit metallhinterlegtem Schirm hergestellt wurden.

1945 - April - das bittere Ende

Das Kriegsende brachte der FERNSEH GMBH den fast vollständigen Verlust der materiellen Substanz und eine Zersplitterung des Mitarbeiterkreises. Der in Deutschland verbliebenen Gruppe, die sich in Taufkirchen zusammenfand, war die Entwicklung und Fertigung von Fernsehgeräten verboten.

Einige gerettete Hochvakuumpumpen gaben die Möglichkeit, kommerzielle Senderöhren zu reparieren, und selbst Rundfunkempfangsröhren wurden in großen Stückzahlen durch Einbringen neuer Kathoden wieder gebrauchsfähig gemacht [A. Ortner, O. Schiebler].

Unter schwierigsten äußeren Umständen wurden Meßgeräte für die Rundfunktechnik entwickelt und in Serienfertigung gebaut.

»Farvigraph«, »Farviprüfer« und insbesondere das »Farvimeter«, ein Universalmeßgerät für den Rundfunk-Kundendienst, fanden großen Anklang.

Vom Farvimeter wurden weit über 1000 Exemplare hergestellt [W. Eissler, E. Giese]. Es enthält alle für den Rundfunk-Service notwendigen Geräte: Meßsender, Schwebungssummer, Röhrenvoltmeter, Output-Meter sowie geeichte Kapazitäts- und Widerstandsmeßbrücken.

Der Farvigraph ist ein für Rundfunkzwecke geeigneter Universaloszillograph mit Zwischenfrequenzwobbler und Elektronenschalter zur gleichzeitigen Messung von mehreren Vorgängen.

Der Farviprüfer
ist ein Röhrenprüfgerät, dessen Bedienung durch ein Lochkartensystem und gegenseitige Verriegelung der Bedienungsknöpfe „narrensicher" ist. Unabhängig vom Lochkartensystem können 2 negative und 2 positive Spannungen an geeichten Reglern eingestellt werden, so daß der Fachmann z. B. auch Kennlinien aufnehmen kann.

Neuanfang beim Fernsehen 1949

Der Start zur Wiederaufnahme der Fernseharbeit im Jahre 1949 brachte eine erdrückende Fülle von Problemen. In Amerika und England stand 1945 das riesige, im Kriege aufgebaute Potential der Elektroindustrie ungehemmt für den zivilen Bedarf zur Verfügung. Darum machte dort die Entwicklung und Anwendung der Fernsehtechnik außerordentlich schnelle Fortschritte. Für uns galt es nun, den Vorsprung des Auslandes so schnell wie möglich einzuholen. Es waren weder die Zeit noch die Mittel vorhanden für ausgedehnte Versuche, wichtiger waren sorgfältige Vorüberlegungen; oft wurde bis in die Nacht hinein diskutiert und geplant, um richtige Wege zu finden und mit den vorhandenen technischen Möglichkeiten in Einklang zu bringen.

Nach der Übersiedlung nach Darmstadt im Herbst 1949 standen auch geeignete Labor- und Fabrikationsräume zur Verfügung. Schon vorbereitete Pläne konnten in Angriff genommen werden. Die erste Aufgabe bestand darin, für ein Versuchsstudio, das der NWDR in Hamburg in Auftrag gab, die Grundgeräte zu bauen: Kamera, Filmabtaster, Impulsgeber, Modulationsgerät für die 625-Zeilen-Norm.

Die grundsätzliche Entscheidung für das Kamerasystem war nicht schwierig. Die umfangreichen Erfahrungen in der Herstellung des Supericonoscopes IS 9 führten zur Konstruktion einer kleinen Studio-Kamera-Anlage (Abb. 23), die in dieser grundsätzlichen Form noch heute in zahlreichen Exemplaren ihren Dienst tut. Weniger leicht war die Entscheidung, welches Filmabtaster-System gewählt werden sollte.

Zunächst wurde erwogen, die Abtastung mittels des Supericonoscopes und Kurzzeitbeleuchtung durchzuführen, wobei der Gesichtspunkt maßgebend war, mit möglichst wenig Bausteinen auszukommen. Orientierende Versuche ergaben jedoch, daß die Bildqualität auf die Dauer nicht befriedigen konnte. Es blieb zur Wahl die Abtastung mit Sondenröhre oder der Lichtpunktabtaster mit Kathodenstrahlröhre. Trotz der hervorragenden Eigenschaften der von 1937 ab gebauten Sondenrohr-Abtaster fiel die Entscheidung zugunsten des Lichtpunktabtasters, da eine geeignete Abtaströhre mit den zu dieser Zeit vorhandenen Mitteln schneller entwickelt und gefertigt werden konnte als eine Sondenröhre.

Verbesserter Filmabtaster 1950

Schon im März 1950 wurde der erste Nachkriegsfilmabtaster (Abb. 24) an den NWDR geliefert. Im Äußeren noch nicht so ausgereift, zeigte schon dieser Abtaster die typischen Merkmale: Aufspaltung des Lichtweges durch eine Doppeloptik und das aus dem BAUER-Projektor B 8 entwickelte Präzisionslaufwerk für den kontinuierlichen Filmvorschub.

Unendlich viel Kleinarbeit wurde in den vergangenen Jahren in dieses Gerät gesteckt, bis es zu der jetzigen Reife gelangt ist; sowohl die mechanische und optische Präzision als auch der elektrische Teil des Abtasters wurden laufend verbessert. Der zunächst nur für 35mm Normalfilm gebaute Abtaster konnte ab 1953 nach dem gleichen Konstruktionsprinzip auch für 16mm-Film geliefert werden (Abb. 27). Insgesamt wurden bis heute 21 Normalfilmabtaster und 10 Schmalfilmabtaster geliefert, und es kann als besonderes Zeichen der Qualität gelten, daß fast sämtliche Filmabtaster noch heute im Programm-Betrieb eingesetzt sind.

Endlich mehrere Objektive

Die Kameras wurden ab 1951 durch einen Revolverkopf mit zwei Objektivpaaren und automatischem Parallaxenausgleich verbessert.

Langjährige Entwicklungsarbeiten, das beim Superikonoskop auftretende Störsignal durch einen Strom langsamer Elektronen zu beseitigen, führten 1952 zum Erfolg. Das neue, unter dem Namen »Rieseliko« (Abb. 25) inzwischen bekanntgewordene Supericonoscope wird seit 1952 in alle Supericonoscope-Kameras eingebaut.

Für die Erweiterung des Fernsehprogrammdienstes wurde eine Aufnahmekamera mit hoher Lichtempfindlichkeit benötigt. So wurde 1952 die Entwicklung einer Super-Orthicon-Kamera mit elektronischem Sucher (Abb. 26) in Angriff genommen. Die ersten beiden Kamerazüge konnten im Frühjahr 1953 dem NWDR zur Verfügung gestellt werden. In Anlehnung an diesen Kameratyp wurde etwa gleichzeitig auch eine Rieseliko-Kamera mit elektronischem Sucher entwickelt.

25 Kamerazüge dieses Typs wurden in den ersten 10 Monaten dieses Jahres gebaut und an unsere Kunden im In- und Ausland geliefert. Für den stationären Betrieb im Studio wurde meist die Schrankbauweise gewählt, während für den Einbau in Übertragungswagen die Geräte in einheitlichen, formschönen Koffern untergebracht werden.

Nach außen hin dokumentiert sich ein gewisser Abschluß der Entwicklungsarbeiten dadurch, daß sämtliche zu einem modernen Studio gehörende Geräte in wohldurchdachter, ausgereifter Konstruktion vorliegen. Die stürmische Entwicklung der vergangenen 2 Jahrzehnte hat einer Feinarbeit auf dem gesamten vielseitigen Gebiet der Fernsehtechnik Platz gemacht.

Von einem wirklichen Abschluß der Entwicklung kann jedoch heute noch nicht gesprochen werden. Noch gibt es viele physikalische Probleme, deren Weiterbearbeitung erfolgversprechend ist. Auch der fortschreitende Ausbau des Übertragungsnetzes und die wachsende Zahl der Studios erfordern eine immer weitergehende Verbesserung der einzelnen Geräte, um das Zusammenspiel einer großen Anzahl von Anlagen zu ermöglichen.

Diese Arbeiten wird die FERNSEH GMBH auch weiterhin mit ihrem großen, erfahrenen Mitarbeiterstab nach Kräften fördern.

Bis hierhin die eigene Laudatio auf das 25-jährige Bestehen der Fernseh GmbH Darmstadt aus 1954.


Es geht weiter . . .

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