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Historisches Wissen aus Heften, Zeitschriften, Magazinen

Artikel, Zitate und Infos stammen aus der Funk-Technik, der Funkschau, den RTMs, Kameramann, der FKT, den Schriften von Philips und Zeiss Ikon und Anderen. Mehr über die verfälschten historischen Informationen ab 1933 über 1945 bis weit in die 1980er Jahre.

aus der FUNK-TECHNIK Nr. 23/1950 (1. Dez. Heft)
Das Editorial

BERLIN . FRANKFURT/M. • Nr. 23/1950/5.JAHRGANG FUNK­TECHNIK CHEFREDAKTEUR CURT RINT

Dezember 1950 - Gedanken über das Fernsehen . . . . . . .
Empfehlung: Beginnt klein und bescheiden!

Seit der Pressekonferenz des Nordwestdeutsehen Rundfunks in Hamburg Ende September ist einige Zeit vergangen. Wie erinnerlich, wurde damals der Fernseh-Versuchsbetrieb in An­wesenheit von 200 Journalisten eröffnet und zugleich ein wenig zuversichtlicher Bericht über die finanziellen Grundlagen und Zukunftsaussichten des Programmbetriebes gegeben. Dabei nannte der Generaldirektor des NWDR, Dr. Grimme, die Summe von 500 DM, die seiner Auffassung nach für eine Programm-Minute im Fernsehen aufzubringen sind. Das er­gibt also bei zwei Programmstunden pro Tag etwa 60.000 DM oder im Jahr gegen 20 Millionen DM. Man war erschrocken und die Fernsehbegeisterung erhielt einen gehörigen Dämpfer.

Wenig später haben ernst zu nehmende Fachleute die genannte Summe pro Minute angezweifelt und behauptet, daß man mit viel weniger, vielleicht 10... 20 Prozent davon, auskommen könnte. Der vorsichtige Verwaltungsrat des NWDR, der die Gelder bewilligen soll, ist stutzig geworden. Um es kurz zu machen: es liegt nun am NWDR selbst bzw. an jenen Stellen innerhalb dieser Organisation, die am Fernsehen besonders interessiert sind, zu beweisen, daß ihr eigener Generaldirektor falsch beraten war. Bringen wir es auf eine Formel: Es muß nachgewiesen werden, daß die Minute nicht 500 DM, sondern nur 100 ... 150 DM kostet und somit der Jahresbetrieb nicht 20, sondern vielleicht 3 Millionen DM erfordert!

Es gibt sehr unterschiedliche Meinungen

Die Meinungen für und wider Fernsehen prallen zur Zeit heftig aufeinander. Die Radiowirtschaft möchte einen zu frühen Start verhüten, denn bei ihr stehen Interessen auf dem Spiel, deren Umfang zur Zeit nur schwer abzuschätzen ist. Ein Teil der Öffentlichkeit dagegen drängt auf Beschleunigung des Tempos, verweist auf die Geschäftigkeit des Auslandes (z. B. anläßlich der Industrieausstellung in Berlin) und ist daher mit dem Stand der Dinge unzufrieden. Es wird nicht ohne Grund be­fürchtet, daß erneute Verzögerungen den sogenannten „Nach­kriegsstart des deutschen Fernsehens" auch zur Funkaus­stellung 1951 hinfällig machen.

Inzwischen haben sich jene fatalen „DM 500 je Minute" als Kernpunkt der Aussprache herausgeschält. Ist diese Zahl korrekt, dann hat es zwangs­läufig noch gute Weile mit dem deutschen Fernsehen. Ist sie es nicht, sondern liegt sie in Wirklichkeit bei 100 ... 150 DM, dann verschiebt sich das Problem der Finanzierung auf eine andere Ebene. Wo also liegt die Wahrheit?

Die anderen sind weiter als wir . . . .

Die anderen sind weiter als wir; fragen wir sie also, wieviel sie bei sich daheim für die Sendeminute auszugeben haben. Aus Frankreich verlautet, daß man sie dort im Durchschnitt mit 10.000 ffr ansetzt. Die Engländer glauben, im groben Durchschnitt gesehen, mit 20 engl. Pfund auszukommen. Ob­wohl das amerikanische Beispiel nicht immer vorbildlich ist, denn man ist drüben aus Reklamegründen ähnlich dem Film dem Starkult verfallen, geben auch die US-Zahlen einige Hin­weise.

Beispielsweise kostet die beliebte einstündige Fernsehrevue „Texaco Star Theatre" mit dem in den USA sehr be­liebten (und hochbezahlten) Komiker Milton Berle in der Hauptrolle 17.000 Dollar. Eine abendfüllende Übertragung des „Othello" aus der Metropolitan Opera in New York erforderte einen Gesamtaufwand von 20.000 Dollar. Diese zuletzt ge­nannte Summe ist kaufkraftmäßig gerechnet (d.h. als Funk­tion von Einkommen und Preisen) nur wenig mehr als 30.000 DM für ein vielstündiges Programm.

Machen wir einen Vergleich der Kosten

Aber bleiben wir in Europa. Die Franzosen arbeiten also mit rund 120 DM je Minute und die Engländer mit 200 DM, wobei die oben genannten Landeswährungen entsprechend der Kauf­kraft umgerechnet wurden. Nun bieten die Engländer wohl das Beste, was zur Zeit auf der Welt über die Bildschirme geht. Warum also, so fragt sich der unbefangene Deutsche, müssen ausgerechnet wir 500 DM je Minute ausgeben, und das auch noch gleich von Anfang an ?

Jene Kritiker der Minuten-Summe des Generaldirektors Dr. Grimme berichten, daß der deutsche Fernseh-Rundfunk in den Jahren 1936 bis 1943 mit sehr geringen Beträgen ausgekommen ist. Viele der damals als gut empfundenen Programme koste­ten zwischen 50 und 100 Mark je Minute, manche waren noch billiger und trotzdem nicht schlecht.

Man glaubt daher, daß es bei genügender Sparsamkeit und vor allem bei geschickter Führung und Improvisation möglich sein muß, auch das neue deutsche Fernsehen mit etwa 150 DM Kosten je Minute durchzuziehen. Es ist sicherlich nicht not­wendig, gleich anfangs hochbezahlte Stars zu verpflichten, sondern man findet mit Sicherheit unter den vielen hundert jungen deutschen Schauspielern genügend, die sich dieser so zukunftsreichen Sache für mäßige und daher tragbare Summen zur Verfügung stellen werden.

Nicht jede Sendung muß eine kostspielige Ausstattungsrevue sein, und noch immer ist es auf Regie, auf das Können und vor allem auf die Begeiste­rungsfähigkeit des einzelnen angekommen. Es ist halt genau so wie beim Film: nur selten sind die teuersten Filme auch die besten; wohl jede Produktion kann diese Erfahrung bestätigen.

Also doch - der NWDR soll anfangen

Ein Vorschlag zur Güte würde etwa so aussehen: der Ver­waltungsrat des NWDR stellt dem Fernsehen einen Betrag von vielleicht drei Millionen D-Mark für ein Jahr zur Ver­fügung. Hinzu kommen die anfangs sehr geringen, später sich erhöhenden Beträge aus dem Aufkommen der Fernseh-Teilnehmergebühr, die. DM 2, betragen wird. Damit muß der Betrieb auskommen. Sind die richtigen Leute an der richtigen Stelle, so dürfte dieses Verfahren stimmen und wahrscheinlich das einzig mögliche sein. Schließlich müssen wir dem Fern­sehen zugestehen, im ersten Jahr ein wenig vom Reiz der Neuheit zu zehren, so daß man der Programmgestaltung zwar jede Aufmerksamkeit zuwenden und alle Sorgfalt auf gute Sendefolgen richten muß, andererseits aber keine über­triebenen Ansprüche an kostspielige Ausstattungen, Stars usw. stellen soll. Es ist besser, klein anzufangen, als überhaupt nicht oder sehr spät.

Karl Tetzner

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